: Änderung der Parole
■ Die Friedenspolitik der 80er Jahre läßt sich nicht wiederholen GASTKOMMENTAR
Wenn SchülerInnen ihre Angst auf die Straße tragen und demonstrieren, in welcher Welt sie nicht leben wollen, dann steht das zunächst außerhalb jeder Kritik. Wir 83er Opas aber können uns hinter den Kids nicht verstecken. Unsere alte Friedenspolitik läßt sich im neuen Weltgefüge nicht wiederholen.
Wir müssen uns davor hüten, die Kriegsgründe auf das Öl zu reduzieren. Zudem ist die Ressourcenfrage ökologisch, nicht antiimperialistisch zu stellen. Dann kommmt man auch nicht in die Versuchung, Saddam Hussein zu beschönigen und die USA zu dämonisieren. Eine Fixierung auf den Ölaspekt leugnet auch die Erfahrungen, die wir im Umgang mit dem Gegner gemacht haben. Sie versucht, seine Motive zu denunzieren. Wir wissen spätestens seit Reagens Unterschrift unter das Mittelstreckenabkommen, daß wir uns langfristig mit der Entstellung des politischen Gegners keinen Gefallen tun. Ginge es dem Westen nicht auch um Völkerrecht und den Schutz Israels, dann läge der Schluß nahe: sind Bush & Co erst geschlagen, endet die Tragödie.
Eine Erfahrung der Antiraketenbewegung war, daß sich politische Prozesse nicht voraussehen lassen. Zwar war die Stationierung von Pershing II und Cruise missiles nicht der Grund der Abrüstung der SS 20. Doch haben sich auch unsere Prognosen nicht erfüllt. Wir können jetzt nicht die Risiken verdrängen, die auch in einer nichtmilitärischen Konfliktstrategie am Golf lägen: Die Fortsetzung des Embargos plus Nahostkonferenz könnten alle Saddam Husseins als politisch-militärische Ermutigung begreifen — mit gefährlichen Folgen für die ganze Region. Bei unserem Streit mit den Regierungen des Westens geht es also nicht um Schuld und Unschuld, nicht um Blut gegen Blumen. Antimilitarismus muß sich daran messen, ob er mit höherer Wahrscheinlichkeit zu humaneren Ergebnissen führt. Das trauen wir ihm zu. Krieg kann kein Mittel der Politik sein. Was mit so gräßlichen politischen, ökologischen, sozialen und kulturellen „Neben“folgen verbunden ist, hat sich als Mittel aufgehoben. Der „chirugische Schlag“ und der „Blitzkrieg“ sind militaristische Utopien.
Wer die Öffentlichkeit überzeugen will, muß die besten Motive und Argumente des Gegners entkräften, nicht seine schlechtesten. Die Friedensbewegung von heute ist keine Kalte-Kriegs-Bewegung mehr. Darum: Ändert die Parole für die großen Demonstrationen am 26.1. Sagt: „Krieg ist kein Mittel der Politik!“ und sagt es auch Gorbatschow. Ralf Fücks/Bernd Ulrich
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