Programmiert Saddam die ökologische Katastrophe?

■ US-Militärs berichten über brennende Öltanks und zerstörte Förderanlagen nahe der saudiarabischen Grenze/ Spekulationen über Rückzug der Irakis

Berlin/Manama (taz/ap) — Früher als befürchtet könnten die ökologischen Horrorszenarien brennender Ölfluten am Golf Realität werden. In Erwartung eines bevorstehenden Angriffs alliierter Bodentruppen hat der Irak im besetzten Kuwait angeblich mit der Zerstörung von Ölanlagen begonnen. Einige der riesigen Öltanks nahe der Nordgrenze Saudi- Arabiens wurden in Brand gesetzt, eventuell auch Ölquellen gesprengt. Das berichteten gestern Sprecher der Ölindustrie in Manama und amerikanische Militärs in Riad. Unmittelbar nach dieser Nachricht stiegen weltweit die Ölpreise.

Nach den Informationen, die sich unter anderem auf Luftaufnahmen stützen, sind Ölfördertürme und Vorratstanks des Ölfelds von Al Wafra und Tanks in Schwaiha und Mina Abdullah von den Zerstörungen betroffen. Die Anlagen liegen 40 beziehungsweise 80 Kilometer nördlich der saudiarabischen Grenze. Die Ölquellen von Al Wafra sind die einzigen in Kuwait, die von dem US- Konzern Texaco ausgebeutet werden. Ob auch Pipelines zerstört oder beschädigt wurden, blieb gestern ebenso unbekannt wie die Frage, wann die Sprengungen vorgenommen wurden.

Ein Sprecher der kuwaitischen Botschaft in Bahrein wertete die Zerstörung der Ölanlagen als Anzeichen dafür, daß der Irak sich auf die Räumung Kuwaits vorbereite. „Sie geben offenbar auf. Warum sollten sie das sonst tun?“, meinte der Sprecher. Ähnlich äußerte sich der Nahost-Experte des Instituts für Strategische Studien in London, Don Kerr. Von jeher hätten Armeen die Gebiete, aus denen sie sich zurückziehen, zerstört und verbranntes Land hinterlassen. Nach Angaben von Kerr hat Kuwait in der Vergangenheit einige Bohrlöcher wieder verschlossen, um die Ölvorkommen später auszubeuten. Diese seien derzeit für Bagdad ohne Nutzen und könnten deshalb Ziel der irakischen Operationen sein. Die britische Regierung hielt es gestern jedoch auch für möglich, daß die Anlagen versehentlich in Brand geraten sind oder der von Saddam Hussein erwartete Vormarsch alliierter Truppen durch die aufsteigenden Rauchwolken behindert werden soll.

In den vergangenen Monaten war die Sprengung der kuwaitischen Ölanlagen im Westen immer wieder als Saddam Husseins letztes Mittel an die Wand gemalt worden, falls er militärisch in eine aussichtslose Situation gerate. Unter anderem der frühere britische Premierminister Edward Heath hatte nach einem Bagdad-Besuch über entsprechende Andeutungen des irakischen Staatschefs berichtet.

Meteorologen und Klimaforscher befürchten neben enormen Umweltschäden auch Rückwirkungen auf das überregionale Klima, falls ein großer Teil der kuwaitischen Ölquellen monatelang brennt. Rauch und Ruß würden jedoch zunächst in einem Radius von mehreren tausend Kilometern den Himmel verdunkeln und regionale Temperaturstürze verursachen. Dort, wo die verschmutzten Luftmassen abregnen, müßte mit verheerenden Ernteausfällen gerechnet werden. Umweltschützer rechnen außerdem mit beträchtlichen Gefahren für die Trinkwassergewinnung mit Hilfe von Meerwasser-Entsalzungsanlagen. Diese Anlagen sind, wie schon während des irakisch-iranischen Kriegs, von auslaufendem Öl im Persischen Golf bedroht. Einige Wissenschaftler haben davor gewarnt, daß lang andauernde Großfeuer auch die asiatischen Monsunwinde beeinflussen könnten. Von ihrem pünktlichen Eintreffen hängt die Ernte für etwa eine Milliarde Menschen ab. Im schlimmsten Fall könnten über Monate ungebremst mit Öl gespeiste Feuersbrünste ihre giftige Fracht bis in die hohen Atmosphärenschichten transportieren und dort eine gewaltiges Ozonloch rund um den Äquator erzeugen. Die Menschen in äquatornahen Ländern wären dann den krebsauslösenden ultravioletten Strahlen der Sonne ungeschützt ausgeliefert.

In den Staaten am Golf halten sich schon seit einiger Zeit Katastrophenhilfstrupps mit Ölbarrieren, Lösch- und Säuberungsfahrzeugen einsatzbereit. Ob sie allerdings einer systematischen Sprengung eines Fünftels der weltweiten Ölvorräte wirksam begegnen könnten, erscheint zumindest fraglich. Ein Vertreter des Ölkonzerns BP hat kürzlich erklärt, daß es — nach dem Ende des Krieges — sechs bis neun Monate dauern würde, bis Spezialisten 300 bis 400 Ölquellenbrände gelöscht haben könnten. Diese Schätzung wurde von Umweltschützern als „optimistische Prognose“ klassifiziert. gero