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Bonner Richter sieht BRD in Angriffskrieg

 ■ Von Hasso Suliak

Bonn (taz) — Ein Bonner Richter hat überraschend der örtlichen Pax- Christi-Gruppe bei ihrem Aufruf zur Befehlsverweigerung gegen die Staatsanwaltschaft den Rücken gestärkt. In einem Flugblatt hatte Pax Christi alle Soldaten, Zivilbeschäftigten und Mitarbeiter/innen des Verteidigungsministeriums zur Befehlsverweigerung bei allen Golf-bezogenen Aktivitäten aufgerufen. Daraufhin war die Staatsanwaltschaft hellhörig geworden und hatte bei den Bonner Amtsrichtern die Beschlagnahme des Aufrufs beantragt.

Das Amtsgericht aber erteilte den aufgebrachten Staatsanwälten eine Absage: Der Aufruf zur Befehlsverweigerung sei nicht rechtswidrig, da die Bundesrepublik seit dem 17. Januar an einem „Angriffskrieg gegen den Irak“ teilnehme und ein solcher vom Grundgesetz abgelehnt werde.

In dem Amtsgerichtsbeschluß heißt es: „Nachdem die Türkei den Amerikanern ihre Flugplätze zum Start für Bomber in den Irak eröffnet hat, ist auch für die deutschen Piloten gegenüber irakischen Flugzeugen die Verteidigungsthese nicht mehr aufrechtzuerhalten.“ Der Golfkrieg sei keine Befreiung Kuwaits, sondern eine „Wiedereroberung“.

Amtsrichter Paehler, der den Beschluß unterzeichnet hatte, sieht im Golfkrieg vor allem „eine Polizeiaktion der UNO“. Der Dieb sei aber nicht auf frischer Tat angegriffen worden. Vielmehr solle ihm nach fünf Monaten die Beute wieder abgenommen werden. Der für einen Verteidigungsfall im juristischen Sinne notwendige „gegenwärtige Angriff“ sei also nicht gegeben.

Die juristische Folge eines derartigen Angriffskrieges ist für den Amtsrichter klar: „Jeder Befehl und jede Dienstanweisung, die eine Förderung des am 17. 1. 1991 begonnenen Krieges bedeuten [...] sind verfassungswidrig.“ Das Flugblatt der Pax-Christi-Gruppe sei darüber hinaus auch von dem Recht auf Meinungsäußerung (Art.5GG) gedeckt. Denn ähnlich wie bei einem Kriegsdienstverweigerer müsse auch der Aufruf an die Soldaten, eine Gewissensentscheidung zu treffen, vom Recht gebilligt werden.

Daß die Pax-Christi-Gruppe das Bonner Gericht doch nicht als juristischer Sieger verlassen konnte, dafür sorgte das übergeordnete Landgericht. In seinem neu ergangenen Beschluß verwarf es die juristische Einschätzung, die Bundesrepublik beteilige sich an einem Angriffskrieg. Schließlich diene der Krieg „der Abwehr und der Beseitigung der vom Irak ausgeübten Aggression, und zwar auf der Grundlage einer UNO- Resolution“. Die Richter ordneten die Beschlagnahme des Flugblattes an.

Für die Bonner Pax-Christi- Gruppe hat das wahrscheinlich strafrechtliche Folgen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist in dem Flugblatt öffentlich zu Straftaten aufgerufen worden. Soldaten, die verbindliche Befehle verweigern, handelten nämlich rechtswidrig. Der engagierte Versuch eines Richters, der sich gegen den Krieg als Mittel zur Lösung von Konflikten ausgesprochen hat, ist fürs erste gescheitert.

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