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Heckelmann kam nicht gut an

■ Bei der Senatorenwahl: Koalitionäre gegen Innensenator Heckelmann/ Unter den wenigen Stimmen für den Kultursenator waren einige von der AL

Berlin. Berlin hat seit gestern seinen neuen alten Regierenden Bürgermeister zurück: Eberhard Diepgen, von 1984 bis 1989 schon einmal Regierender der WestberlinerInnen, wurde gestern mit den Stimmen der neuen großen Koalition im Abgeordnetenhaus zum Regierungschef gewählt. Nicht alle der 177 ParlamentarierInnen, die SPD und CDU stellen, gaben ihm allerdings ihre Stimme. Mit 164 Jastimmen fehlen ihm 13 aus der Koalition, Diepgen wollte das aber nicht als »Denkzettel« interpretiert haben. Mit dem gewissen salbungsvollen staatsmännischen Habitus, der seinem Vorgänger Momper immer gefehlt hat, erklärte er zu wissen, welch schwieriges Amt in welch schwerer Zeit er übernehme.

Der 49jährige Jurist, seit 1963 in der CDU, steht einer allgemein als mittelmäßig eingestuften Senatsmannschaft von insgesamt 15 SenatorInnen vor, die gestern in einem zweiten Wahlgang gewählt wurde. Die Stimmen der 241 Abgeordneten auszuzählen, nahm in der gestrigen Sitzung allein eineinhalb Stunden in Anspruch. Bei der Wahl der SenatorInnen zeigt sich immer der Beliebtheitsgrad der jeweiligen KandidatInnen und die Geschlossenheit von Regierungsbündnissen: Die meisten Stimmen erhielt die neugebackene Bürgermeisterin und Senatorin für Frauen und Arbeit, die ehemalige Präsidentin der Stadtverordnetenversammlung Christine Bergmann (SPD). Für sie stimmten sogar sechs Abgeordnete der Opposition. Die Koalition geschlossen hinter sich haben sonst nur Ingrid Stahmer, alte und neue Sozialsenatorin, Jutta Limbach, erneut im Justizressort und Norbert Meisner, der von den Finanzen zur Wirtschaft wechselt. Das schlechteste Ergebnis erzielte der neue Innensenator Dieter Heckelmann. Er erhielt lediglich 146 Jastimmen. Auch der umstrittene Kultursenator Ulrich Roloff-Momin bekam nur zwei Stimmen mehr — und dabei sollen für ihn auch Abgeordnete der AL gestimmt haben.

Auch die Lobtiraden des CDU- Fraktionschefs Klaus-Rüdiger Landowsky auf die große Koalition und die Tradition weitsichtiger Staatsmänner, die ein solches Bündnis in Krisenzeiten mehrfach schon eingegangen seien, verhalf Schwarz- Rot nicht zur Geschlossenheit. Im drangvoll engen Plenarsaal, in dem einige Abgeordnete sogar auf den Gängen sitzen mußten, konnte man vor der Wahl einen Vorgeschmack auf den künftigen Umgang der großen Parteien mit den kleinen erhalten. Landowsky stellte Bündnis90/ Grüne und PDS in eine Ecke — und das nur, weil ähnlich lautende Anträge zur aktuellen Stunde zusammengefaßt worden waren. Als die PDS-Fraktionsvorsitzende Gesine Lötzsch das Wort ergriff, verließ ein Teil der CDU demonstrativ den Raum oder pöbelte aus den Hinterbänken. Von den Oppositionsparteien wurde Kritik an der Koalitionsvereinbarung und dem Personalpaket geübt. FDP-Fraktionschefin Carola von Braun bezeichnete Heckelmann als die gravierendste Fehlentscheidung, ihre Kollegin vom Bündnis90/Grüne, Renate Künast, geißelte ihn als direkten Nachfahren von Heinrich Lummer. Ihre Angriffe auch gegen die SPD brachten ihr von Fraktionsschef Ditmar Staffelt den Vorwurf ein, nicht zum »konstruktiven Dialog« bereit zu sein.

Einiger war man sich am Ende in einer aktuellen Stunde zum Golfkrieg: Mehrheitlich wurde eine europäische Initiative zur Einberufung einer Nahost-Konferenz gefordert. kd

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