: Das unmögliche Risiko
■ Warum man sich nicht mehr auf dem Brett bekämpfen kann INTERVIEW
Stefan Schönert (27), Student aus Neukölln, ist begeisterter »Risiko«- Spieler. Besser: Er war es bis zum Ausbruch des Golfkriegs. »Risiko« ist ein Würfelbrettspiel, bei dem es darum geht, die ganze Welt zu erobern oder zu befreien.
taz: Du spielst nicht mehr »Risiko«. Warum nicht?
Stefan Schönert: Es geht nicht mehr! Vor kurzem hatte ich Besuch von einem Freund aus Westdeutschland, mit dem ich früher ganze Nächte durchgespielt habe. Wir haben meistens zu zweit gespielt — um die ganze Welt.
Also echt mannmäßig. Auge um Auge, Bier um Bier.
Ja, also, wenn Frauen mitspielen, nimmt man automatisch mehr Rücksicht, weil sie defensiver spielen. Jedenfalls wollten wir noch mal spielen, aber es ging einfach nicht. Das Fernsehgerät lief, und da kamen die ganzen Meldungen vom Golf. Da kann ich doch nicht gleichzeitig den Nahen Osten mit meinen Armeen besetzen.
Es gab acht Jahre lang Krieg zwischen dem Iran und dem Irak, und du hast diese Länder auch besetzt. Warum kriegst du jetzt einen moralischen?
Weil das jetzt das Thema ist. Das läßt doch keinen kalt, die taz hat ja auch nicht acht Jahre lang jeden Tag über diesen Krieg berichtet. Außerdem hat das Spiel schon was.
Was macht das Spiel so interessant, und warum läßt dich dieser Krieg jetzt nicht kalt?
Es ist das spannendste Spiel, das ich kenne. Natürlich hat das was mit Kampf zu tun, mit Rivalität, mit Sichmessen. Nach zwei, drei Stunden bist du voll drin, dann kannst du nicht mehr raus. Du wirst wahnsinnig, wenn deine Angriffe scheitern, obwohl du mit dreifacher Überlegenheit angreifst, nur weil dein Mitspieler so ein schweinisches Würfelglück hat. Dann mußt du vor dem nächsten Zug total strategisch denken.
Und jetzt wird aus dem Würfelspiel plötzlich ernst, oder?
Das Schlimme ist, daß der echte Krieg im Fernsehen so aussieht, als wäre es ein großes Videospiel. Deswegen kann ich die Ebenen zwischen Krieg und Spiel nicht mehr trennen. Die Bilder, die im Fernsehen laufen, sind total clean, total harmlos. Über die Folgen der Bombenabwürfe kannst du nur spekulieren. »Risiko« kannst du nur im Frieden spielen, nicht wenn Krieg ist. Interview: Nana Brink
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen