: Standbild: Die Leidenschaftslosen
■ "Brennpunkt", ARD, Do. 20.15 Uhr
Einige deutsche Sender sind staatlich und haben somit das Recht, ihr Budget (und unsere Rundfunkgebühren) für die Erhaltung und Pflege in sich selbst verliebter Fernsehmacher zu verschleudern. Wer glaubte, die ARD hätte den Gipfel der Peinlichkeit am 17. Januar um zwei Uhr morgens mit Sabine Christiansen und ihrer Möglicherweise- hat-der-Krieg-begonnen-Moderation erreicht, irrte sich. Donnerstag abend feierte der Stumpfsinn neue Triumphe in der ersten Reihe. Die ARD versprach, Fernsehzuschauer direkt am Golfkrieg teilhaben zu lassen. Einige „Experten“ waren eingeladen worden um die bangen Fragen des Publikums draußen im Lande zu beantworten. Als Vertreter der Friedensbewegung war der Theologe Prof. Norbert Greinacher präsent. Gleich nach der ersten Frage machte er reinen Tisch: Nein, die Demonstranten auf der Straße seien nicht antiamerikanisch; und ja, die Friedensbewegung (zumindest die in Tübingen) hätte schon beim Einmarsch von Saddam in Kuwait protestiert. Damit war der Teil geklärt.
Der Atmosphärenchemiker Prof. Paul Crutzen meinte, es wäre schon schlimm wenn sie da unten die ganzen Ölfelder anzünden würden, doch nicht so schlimm wie immer behauptet würde. Damit war die Ökologie abgehakt. Ein frecher Zuschauer wollte wissen, ob es nicht Völkermord sei, was die Amis da mit den Irakern machen würden. Der stellvertretende Nato-Botschafter der USA, John Kornblum, gab eine klare Antwort: „Natürlich ist es kein Völkermord!“
Auch der Vertreter des „Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbauer“ durfte eine Rechtfertigung absondern. Dr. Bertold Leibinger gab sich sturzbetroffen und erklärte den Fernsehzuschauern das Dilemma der deutschen Industrie. Die Lieferanten würden selbstverständlich nur aus edlen Motiven handeln, und es wäre für sie unmöglich zu kontrollieren was mit den gelieferten Waren geschieht, denn „man kann mit einem Hammer einen Nagel einschlagen oder einen Menschen erschlagen“. Also sind die 97 deutschen Firmen, die mitgeholfen haben, den Irak aufzurüsten, unschuldig. Als ein Zuschauer fragt, ob die Medien nicht etwas gegen die deutschen Rüstungslieferungen tun könnten, kommt endlich Gerhard „Hagia Sofia“ Konzelmann zum Zuge. Er behauptet steif und fest, die deutschen Medien hätten den Skandal mit den Giftgasfabriken doch erst aufgedeckt. War der ordinäre Zuschauer bis jetzt der Meinung, der amerikanische und der sowjetische Geheimdienst hätten der Bundesregierung den Tip gegeben, wird er von Konzelmann eines besseren belehrt. Und überhaupt solle man nicht dauernd auf den deutschen Firmen rumhacken, wenn „die Libyer eine Unkrautvernichtungsmittelfabrik wollen, kann man es ihnen nicht abschlagen“, und der Hauptlieferant von Saddam sei sowieso die UdSSR, und außerdem würde der Moslem ja gaaanz anders denken als der Europäer...
Zum Schluß wird kurz zu Patrick Leclercq nach Dharan rübergeschaltet und Konzelmann, „der Fachmann für die arabische Welt“, verrät noch die Daten von Ramadan und Pilgermonat, das war's dann. Der Leiter der Langeweile, die leidenschaftslose Silberpappel Ernst Elitz bedankt sich artig bei den Zuschauern und beschließt das Kaffeekränzchen.
Was ist los mit der ARD? Hat sie Angst davor, daß die Firmen, die das Giftzeug exportieren, keine Werbespots mehr schalten? Oder war es einfach nur pure Dämlichkeit, eine zahnlose 45minütige Nachrichtenshow auszustrahlen, in der nicht eine einzige neue Information mitgeteilt wurde? In Zukunft sollten die Bosse der ARD vielleicht darauf achten, daß der Intelligenzquotient ihrer Moderatoren und Experten höher ist als ihr Alter. Karl Wegmann
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