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Prunskiene hat aus Angst Litauen verlassen

■ Nach unbestätigten Informationen soll sie in der Schweiz, in Deutschland oder in den USA sein/ In Litauen wurden Journalisten von Militärs festgehalten, als sie über Schießereien recherchierten/ Trauerfeier für drei Opfer der Sondertruppen in Riga

Riga/Vilnius (afp) — Die zurückgetretene litauische Ministerpräsidentin Kazimiera Prunskiene hat nach Informationen aus dem litauischen Informationszentrum in London politisches Asyl in der Schweiz beantragt. Der Leiter des Zentrums, Grazvydas Kirvaitis, teilte am Freitag außerdem mit, in einer Erklärung, die kürzlich im Parlament in Vilnius in ihrem Namen verlesen worden sei, habe es geheißen, Frau Prunskiene werde das Land für unbestimmte Zeit aus Angst um ihr Leben verlassen. Diese Befürchtungen von Frau Prunskiene entbehrten jedoch jeglicher Grundlage, fügte Kirvaitis hinzu. Dadurch, daß die ehemalige Regierungschefin das Land verlassen wolle, spiele sie „das Spiel Moskaus“, so seine Kritik. Diese Äußerungen lassen darauf schließen, Frau Prunskiene sei von litauischer Seite bedroht worden.

Die schweizerische Botschaft in London konnte die Information zunächst ebensowenig bestätigen wie die Bundesbehörden in Bern. Anderen Informationen zufolge soll Frau Prunskiene Litauen schon verlassen haben und entweder in die USA oder nach Deutschland unterwegs sein.

Unterdessen gaben drei westliche Journalisten an, sie seien in der Nacht mehrere Stunden von sowjetischen Soldaten in Vilnius festgehalten worden. Sie hätten versucht, zu der Verbindungsstraße zwichen Vilnius und Kaunas zu gelangen, wo die Truppen zuvor auf mehrere Wagen geschossen und eine Person verletzt hatten. Die Journalisten gaben außerdem an, vier andere Litauer, die offenbar vorher verhaftet worden waren, seien geschlagen worden.

In der lettischen Hauptstadt Riga formierten sich am Freitag Hunderte Menschen zu einem Trauerzug und begleiteten die Särge mit drei Opfern, die am Sonntag bei den blutigen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen waren. Zuvor war noch eine Massenkundgebung am Freiheitsplatz im Stadtzentrum geplant. Die lettische Regierung hatte einen offiziellen Trauertag ausgerufen. Bei dem Angriff der gefürchteten Spezialtruppen des sowjetischen Innenministeriums auf das lettische Innenministerium waren insgesamt vier Menschen ums Leben gekommen. In früheren Berichten war noch von fünf die Rede gewesen. Drei der Toten waren vor dem Trauerzug vom Freitag auf dem Universitätsgelände aufgebahrt worden. Es handelt sich um den Milizionär Sergei Kononienko, den Kameramann Andris Slapins und den 18jährigen Edigs Riekscins, der die Vorfälle beobachtet hatte. Beide waren ins Kreuzfeuer geraten und erschossen worden. Das vierte Opfer, der Milizionär Gomonogich, wird in seiner Heimatgemeinde in Weißrußland beerdigt.

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