Deutsche Soldaten nach Israel?

■ Achim Exner (SPD), Oberbürgermeister von Wiesbaden, kritisiert die von Bonn zugesagte Finanzhilfe: Man könne sich nicht aus der Verantwortung „freikaufen“

Der Oberbürgermeister der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, der sozialdemokratische „Enkel“ Achim Exner, hat den Einsatz deutscher Soldaten in Israel angeregt — „um die Überlebenden des Holocaust und ihre Nachfahren vor der Bedrohung aus dem Irak zu schützen“ (Exner). Gleichzeitig kritisierte Exner die von der Bundesregierung zugesagte Finanzhilfe für Israel, denn man könne sich „nicht aus der Verantwortung freikaufen“. Alle, die den Einsatz deutscher Truppen im Kriegsgebiet verhindern wollten, müßten sich fragen lassen, ob es denn tatsächlich moralischer sei, dafür zu bezahlen, daß andere Soldaten am Golf töten oder sich töten lassen. Exner: „Angriffe auf einen Wehrlosen erfordern immer die Solidarität der Völkergemeinschaft, auch dann, wenn der Bedrohte nur über Bananen und nicht über Öl verfügt.“

Exners Äußerungen haben inzwischen innerhalb der hessischen Sozialdemokratie geharnischte Distanzierungserklärungen hervorgerufen. Für den Landesvorstand der SPD erklärte Landesgeschäftsführer Lothar Klemm, daß Exner in Wiesbaden nur seine „Privatmeinung zum besten gegeben“ habe. Auf diversen Parteitagen der Sozialdemokraten in Hessen und auf Bundesebene sei klar festgelegt worden, daß deutsche Soldaten ausschließlich zur Verteidigung der Bundesrepublik zum Einsatz kommen dürften. Und bei einem Angriff auf ein Nato-Land müsse das Parlament entscheiden, ob ein „Bündnisfall“ vorliege, der das Eingreifen deutscher Kontingente rechtfertige.

Klemm legte allerdings Wert darauf, diese Debatte von der Diskussion über den Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen einer UN-Friedenstruppe klar zu trennen. Hessenweit distanzierten sich sozialdemokratische Mandatsträger und Parteifunktionäre von Exner und forderten den Oberbürgermeister auf, auf die „Parteilinie“ zurückzukehren.

Doch Exner ließ sich von den Protesten bislang nicht beeindrucken. Der grausame Krieg am Golf finde statt, weil Saddam Hussein jahrelang von US-amerikanischen, englischen, französischen und vor allem deutschen Unternehmen mit Waffen, Giftgasen, Waffenfabriken und Bunkern versorgt worden sei. Exner: „Deshalb verlange ich mehr Ehrlichkeit und Konsequenz in der bundesdeutschen Golfdiskussion.“ Und in diesem Zusammenhang wäre es „ein Zeichen besonderer Art“, wenn Deutsche das bekämpften, was die Überlebenden des Holocaust erneut der Vernichtung nahebringe. „Das wäre die Umkehrung der Geschichte — in der Deutsche immer selbst erobert und vernichtet haben —, wenn wir heute andere Menschen vor der Vernichtung schützen.“ Gegenüber der taz sagte Exner gestern, daß ihn täglich „Berge von Briefen“ erreichten — „davon 55 Prozent zustimmende“. Allerdings hätten ihn auch andere Äußerungen erreicht, solche brauner Machart: „Für die Juden hält doch kein aufrechter Deutscher den Kopf hin.“

Der ehemalige Hamburger Oberbürgermeister und amtierende Schatzmeister der SPD, Klose, ging in einem Aufsatz für die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ noch einen Gedankenschritt weiter als sein Parteigenosse Exner. Um eine Friedensordnung im Nahen Osten erreichen zu können, so Klose, müsse Saddam Hussein „niedergekämpft“ werden. Der Hamburger forderte seine Parteifreunde auf, eine „massivere Unterstützung der Alliierten am Golf“ nicht abzulehnen. Klaus-Peter Klingelschmitt