Genscher verspricht Israel Abwehrraketen

■ Patriot-Raketen aus Bundeswehrbeständen sollen Israel vor deutschem Giftgas schützen/ Erneuter irakischer Angriff auf israelische Großstädte

Berlin (taz) — Unmittelbar nach Abschluß des Besuchs einer deutschen Regierungsdelegation unter Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Israel wurde das Land gestern abend zum fünften Mal Ziel irakischer Raketen. Nach Angaben eines Militärsprechers wurden mehrere Orte von Scuds mit konventionellen Sprengköpfen getroffen.

Am Freitag hatte der israelische Außenminister Levy mitgeteilt, Genscher habe in Jerusalem Flugabwehrraketen vom Typ Patriot aus Beständen der Bundeswehr angeboten. Levy dementierte Presseberichte, nach denen deutsche Soldaten zur Bedienung der Raketen nach Israel entsandt werden sollten. Nach Auskunft des Bonner Verteidigungsministeriums sind die fraglichen Patriot-Systeme aber nur zur Abwehr von Flugzeugen und nicht von Scud-Raketen geeignet, mit denen der Irak auch gestern abend Israel angegriffen hat. Explosionen waren in Jerusalem, Haifa und Tel Aviv zu hören. Trotz des Angebots finanzieller und militärischer Hilfen für Israel ist der Besuch Außenminister Genschers von lautstarker Kritik an der deutschen Hilfe für das Chemiewaffenpotential des irakischen Militärs begleitet worden. Genscher hatte am Donnerstag abend auf einer Pressekonferenz in Jerusalem betont, daß Deutschland an Israels Seite stehe und daß die Bundesregierung alles tun werde, um die Verantwortlichen für illegale militärische Lieferungen an den Irak vor Gericht zu stellen.

Die israelische Presse zitierte Verteidigungsminister Mosche Arens am Freitag mit den Worten, eine Untersuchung der Raketentrümmer habe erwiesen, daß Technologie verwendet worden sei, wie sie die von Deutschland während des Zweiten Weltkriegs eingesetzten V-2-Raketen aufwiesen.

Außerdem überbrachte die deutsche Regierungsdelegation der israelischen Führung eine Zusage über Finanzhilfe in Höhe von 250 Millionen Mark. Auf der Pressekonferenz hatte Genscher außerdem erklärt, daß er angesichts der irakischen Angriffe auf Israel nicht mehr an der Forderung festhalte, daß alle Probleme der Region auf einer internationalen Nahost-Konferenz verhandelt werden sollten.

In der israelischen Öffentlichkeit wurde nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Friedensbewegung kritisiert, weil sie gegen die internationale Anti-Saddam-Koalition demonstriere. Die israelische Presse äußerte sich am Freitag kritisch auch über die deutsche Soforthilfe an Israel nach den irakischen Bombenangriffen. Die konservative Zeitung 'Ma'ariv‘ forderte in einem Kommentar, Israel solle das Geld zurückgeben und Deutschland lehren, „daß Israel nicht immer wieder bereit ist, das deutsche Gewissen durch die Annahme von Geld zu beruhigen“. SEITE 3