: Rundfunkpolitik ohne Konzept
■ Der Kabelrat hat für Berlin neue Frequenzen vergeben KOMMENTAR
Sehen wir es positiv. Die Entscheidung des Kabelrates, neben den bisher 16 empfangbaren UKW-Sendern in Berlin noch zwei weitere Anbieter auf die rappelvolle Skala zu quetschen, baut die Medien- und damit vielleicht auch Meinungsvielfalt im Hörfunkbereich aus. Vielleicht mischt RTL eine Musikfarbe, die besser ankommt als das, was RIAS 2, 100,6, DT 64, SFB 2, SFB 4 und so weiter bieten. Und vielleicht findet ein wortreiches Info- Radio tatsächlich seinen Markt — wenngleich die Allianz des staubtrockenen 'Tagesspiegels‘ mit den reichlich niveaulosen Unterhaltungsfunkern aus Kiel merkwürdig anmutet.
Ein rundfunkpolitisches Konzept aber steht offenbar nicht hinter der Frequenzvergabe. Unbeantwortet bleiben die Fragen: Können all die Sender überleben? Reicht der Werbemarkt, von dem allein sie sich finanzieren müssen? Die Gründe für das Sendersterben in Süddeutschland, das gescheiterte Modell vom Nebeneinander öffentlich-rechtlicher, kommerzieller und gemeinnütziger Sender in Hamburg — alles vergessen, oder schlimmer: nicht bemerkt? Überall war der Werbekuchen zu klein, fiel das Engagement der lokalen Wirtschaft zu mager aus, um besonders die neuen und kleinen Sender über Wasser zu halten. Der Kabelrat scheint auf den Mythos hereingefallen zu sein, der nach dem Mauerfall entstand und besagte, Berlin sei nun auf dem Weg zur booming city, zum prosperierenden Wirtschaftszentrum.
Berlins Medienpolitiker hätten überlegen müssen, wie die bestehende Hörfunklandschaft gehalten und verbessert werden kann. In dieser Hinsicht haben sie lediglich mit der Erlaubnis für Radio 100, sich an die französische Kommerzkette NRJ zu verkaufen, Vernunft bewiesen. Denn: Das liebenswerte Projekt eines links-alternativen und fürchterlich basisorientierten Lokalsenders ist gescheitert. Für ihn fiel, schon zu Zeiten viel ruhigerer Verhältnisse auf dem Rundfunkmarkt, nichts ab vom Werbekuchen. Das hätte eine Lehre sein können. Axel Kintzinger
Siehe Bericht Seite 22.
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