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„Bis zum März muß der Krieg aus sein“

■ Tourismusbranche als Verlierer des Golfkriegs/ Buchungen drastisch zurückgegangen/ Ölmulti Shell ist der große Gewinner

Kronberg/Houston (ap/afp/taz) — Zu den Verlierern des Golfkrieges gehört auch die deutsche Tourismusbranche. Der Krieg und Terrordrohungen haben die Urlaubsbuchungen drastisch zurückgehen lassen. Der Vorsitzende des Deutschen Reisebüros (DER), Hans Glaser, sagte am Wochenende auf der Jahrespressekonferenz der Bundesbahn-Tochter in Kronberg, der Buchungsverlauf habe mit Kriegsbeginn einen deutlichen Knick erhalten. „Alle gehen auf Warteposition“, beschrieb er die Haltung der UrlauberInnen und Geschäftsreisenden. Das Ergebnis des Vorjahres, das dem DER eine Umsatzsteigerung um 156 Millionen oder 6 Prozent auf 2,8 Milliarden Mark brachte, nannte Glaser „vorzüglich“.

Glaser gab sich zuversichtlich, daß bei Ausbleiben der angekündigten Terrorakte gegen Flugzeuge das Urlaubsgeschäft doch noch die erwarteten Zuwachsraten um 8 Prozent erreichen könnte. „Die Deutschen buchen ihren Sommerurlaub von Januar bis März“, sagte er. „Bis März muß der Krieg aus sein“, damit das Urlaubsgeschäft wieder aufblühen könne. Die Geschäftsreisen, die jetzt nicht unternommen würden, seien aber ein für allemal verloren. Die Angst vor Anschlägen auf Flugzeuge gehe so weit, daß UrlauberInnen Reisen in die Vereinigten Staaten nicht antreten wollten. Da werde allerdings die vertragliche Stornierungsgebühr fällig. Nach dem Krieg werde das Geschäft wieder auf Wachstumskurs einschwenken, hofft der DER-Chef.

Den Reisebüros, die sich auf Flugreisen spezialisiert haben und deshalb mit geringer Rendite um 0,8 Prozent arbeiten, sagte Glaser Überlebenskämpfe voraus. Wer in den vergangenen Boomjahren kein Fettpolster angesetzt habe, werde es jetzt schwer haben, meinte er. „Wer jetzt kein Bahngeschäft hat, hat garantiert ein leeres Büro.“

Das Inkassogeschäft von Bundesbahnfahrkarten macht beim DER etwa die Hälfte des Umsatzes aus. Es stieg im vergangenen Jahr um 4,6 Prozent auf gut 1,4 Milliarden Mark. Glaser sagte, die Bahn könne sich im Urlaubsgeschäft behaupten, wenn sie mehr Unterstützung von der Politik erhalte.

Amerikareisen als „großer“ und Städtereisen als „kleiner Urlaub“ waren im vergangenen Jahr die Säulen des Wachstums des Touristikgeschäfts. 125.318 Menschen flogen mit DER-Reisen über den großen Teich und gaben dafür 257 Millionen Mark aus, 7 Prozent mehr als 1989. Die Zuwachsrate bei den Städtereisen halbierte sich zwar im Vergleich zum Vorjahr, betrug aber immer noch 29,1 Prozent. 224.030 Kunden kauften dem Deutschen Reisebüro Kurztrips für 80 Millionen Mark ab. Reisen nach Australien und Neuseeland stiegen um 31 Prozent, nach Irland, das Glaser als typisches Angebot für IndividualistInnen bezeichnete, gar um 47,5 Prozent.

Die Rückgänge bei Reisen in die Golfregion und nach China, wo die politische Situation das Geschäft ruinierte, bezifferte er für 1990 auf 50 Prozent.

Der anglo-niederländische Ölmulti Shell zählt hingegen zu den klaren Gewinnern des Krieges: Er konnte seinen Gewinn im letzten Quartal 1990, bedingt durch den starken Anstieg der Ölpreise nach Ausbruch der Golfkrise, um 69 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigern. Wie der Konzern in Houston mitteilte, machte er im letzten Quartal 1990 einen Gewinn von 446 Millionen Dollar; im Vorjahreszeitraum waren es 264 Millionen Dollar gewesen.

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