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Wer kann Somalia regieren?

■ Der siegreiche „Vereinigte Somalische Kongreß“ strebt eine Übergangsregierung und eine Verfassung „wie in Deutschland“ an/ Streitigkeiten zwischen Guerillabewegungen erschweren Stabilisierung

Berlin (taz) — Der Vereinigte Somalische Kongreß (USC), dessen militärische Einheiten am Sonntag in der Hauptstadt Mogadischu die Macht übernahmen, will so schnell wie möglich eine Übergangsregierung auf breiter Basis bilden. Wie Abdul Kadir, in Rom residierender „Außenminister“ des USC, der taz erklärte, soll bereits heute eine Konferenz aller bisherigen Oppositionsgruppen in Mogadischu beginnen, auf der diese ihre Vertreter in der neuen Regierung nominieren können. Zu diesen Oppositionsgruppen gehören außer dem USC die „Somalische Nationalbewegung“ (SNM) und die „Somalische Patriotische Bewegung“ (SPM). Die Übergangsregierung soll einen „runden Tisch“ einrichten, um eine neue Verfassung auszuarbeiten. Außerdem sollen zu einem unbestimmten Zeitpunkt freie Wahlen stattfinden.

Die neue Verfassung soll Somalia dezentralisieren und ein föderatives System schaffen. „Wir schlagen eine Verfassungsreform wie in Deutschland vor“, sagte Kadir, der selbst als politischer Flüchtling in der BRD gelebt hat. „Das deutsche politische System stimmt mit unseren Bedingungen überein.“

Die Föderalisierung soll die Zersplitterung des somalischen Volkes beenden, dessen verschiedene Clans jahrelang vom Regime Siad Barres gegeneinander ausgespielt worden und inzwischen allesamt bis an die Zähne bewaffnet sind. Die Somalis teilen sich in zwei große Gruppen: die Darod im Süden und die Dir oder Irir im Norden. Zu den Dir gehören die nordsomalischen Issak, die in der SNM kämpfen, und die in Zentralsomalia und Mogadischu lebenden Hawiye, auf die sich der USC stützt. Die Ogadenis, aus denen sich die SPM rekrutiert, gehören zu den Darod, wie auch der Marehan-Clan, dem Siad Barre und seine Mitstreiter angehören.

Mit der Flucht Siad Barres — er hält sich jetzt angeblich in der südsomalischen Hafenstadt Kisimayo auf — stehen die Marehan schutzlos da. „Man wird sie aufhängen“, hatten schon im Dezember exilierte Somalis in Berlin befürchtet, und die Meldungen aus Mogadischu über Hunderte von Toten in den letzten Tagen scheinen diese Prognose zu bestätigen. Die nötige Autorität für die Einigung des Landes, so Beobachter, besitzen höchstens die Clan-Ältesten. Ihre politische Plattform, das „Somalische Manifest“ (s. taz vom 6.8.1990), ist Grundlage der angestrebten Konferenz in Mogadischu.

Deren Zustandekommen ist aber fraglich. Bislang hat die SNM ihre Teilnahme nicht zugesagt. Die SNM betrachtet die in Rom lebende Exilführung des USC als „Kollaborateure“ und weigert sich seit langem, mit ihr zusammenzuarbeiten. Statt dessen erkennt sie eine aus dem USC hervorgegangene Gruppe an, welche wiederum vom offiziellen Teil des USC als „Spalter“ verurteilt wird. Wenn USC und SNM sich nicht einigen, kann Somalia keine einheitliche Regierung bekommen — die SNM kontrolliert den gesamten Norden des Landes, inklusive der wichtigen Hafenstadt Berbera.

In USC-Kreisen wird derzeit kalkuliert, daß nur eine generöse Regierungspostenverteilung an die verschiedenen Gruppen weitere Streitigkeiten verhindern kann. So soll der Posten des Premierministers nach USC-Angaben einem SNM-nahen Issak-Politiker zukommen: Omar Arteb Ghaleb, den Siad Barre am vergangenen Freitag, in einem letzten Versuch, die politische Initiative zurückzugewinnen, selbst zum Premierminister ernannt hatte. D.J.

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