: Bonn will Waffen an Israel liefern
■ Kohl spricht von „deutlichem Zeichen der Solidarität“/ SPD trägt Waffenlieferung an Israel mit/ Lafontaine spricht sich für einen Waffenstillstand im Golfkrieg aus/ Johannes Rau ist dagegen/ FDP auch für Lieferung anderer Defensivwaffen
Bonn (ap/afp/dpa/taz) — Die Bundesregierung ist bereit, Israel mit Lieferung von Waffen aus Beständen der Bundeswehr zu unterstützen. Die Bedrohung des Landes durch irakische Raketen erfordere nach Auffassung von Kanzler Helmut Kohl „ein deutliches Zeichen der Solidarität“, erklärte Regierungssprecher Dieter Vogel. Wenn Jerusalem deutsche Sachunterstützung wünsche, sei Bonn im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten dazu bereit, sagte Vogel. Erste vorbereitende Gespräche zwischen Verteidigungsministerium, Außen- und Kanzleramt würden geführt. Kohl habe sich in die Vorbereitung künftiger Entscheidungen eingeschaltet.
Der Regierungssprecher geht davon aus, daß auf der Liste Navons das Flugabwehrraketensystem Patriot steht. Reichert erläuterte, daß eine Umrüstung dieses für die Bekämpfung von Flugzeugen gedachten Systems auf den Raketenabfang möglich sei. Kein Zweifel wurde jedoch daran gelassen, daß die deutschen Waffen in Israel nicht von Soldaten der Bundeswehr bedient werden.
Die SPD fordert weiterhin einen Waffenstillstand im Golfkrieg, der mit Verhandlungen innerhalb der UNO verbunden werden soll. Dies teilte der stellvertretende Parteivorsitzende Oskar Lafontaine im Anschluß an eine Sitzung des SPD-Präsidiums gestern in Bonn mit. Ein Waffenstillstand ist nach Lafontaines Ansicht vonnöten, „um die weitere Zerstörung von Leben erst einmal zu verhindern“. In einem Interview hatte das SPD-Präsidiumsmitglied und NRW-Ministerpräsident Johannes Rau, einen Waffenstillstand abgelehnt. „Eine Waffenruhe ohne die Befreiung Kuwaits, was ja im UNO-Ultimatum steht, kann ich mir nicht vorstellen.“ Demgegenüber sprach Lafontaine nicht davon, daß der Irak sich erst aus Kuwait zurückziehen müsse, bevor man Waffenruhe fordere. „Ob man den Truppenrückzug zur Voraussetzung macht, mag dahingestellt sein“, so Lafontaine. Er räumte ein, daß über diese Frage im Präsidium diskutiert worden sei. Vorige Woche hatte das Präsidium der SPD einen Waffenstillstand gefordert.
Die SPD-Opposition in Bonn würde die Lieferung von Abwehrwaffen an Israel politisch mittragen. Das beschloß das SPD-Präsidium auf seiner Sitzung am Montag, teilte der stellvertretende Parteichef Oskar Lafontaine anschließend vor Journalisten mit. Voraussetzung sei, daß Israel einen entsprechenden Antrag an die Bundesregierung richtet. Die SPD-Führung bekräftigte ihre Forderung nach einem schnellen Waffenstillstand im Golfkrieg. Das würde der UNO die Möglichkeit geben, eine politische Lösung voranzubringen, sagte Lafontaine. In dieser Frage habe es „Diskussionen“ im Präsidium gegeben. Es sei aber einhellig der Meinung gewesen, daß die Räumung Kuwaits keine Vorbedingung für einen Waffenstillstand sein könne, auch wenn dies das Ziel aller Bemühungen zur Lösung des Konflikts bleibe. Dem Vernehmen nach vertrat unter anderem der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau in diesem Punkt eine andere Meinung. Die SPD halte an ihrer Einschätzung fest, daß der Angriff der USA und ihrer Alliierten auf den Irak ein Fehler gewesen sei. Statt dessen hätten die wirtschaftlichen Sanktionen fortgesetzt und weitere Verhandlungsmöglichkeiten gesucht werden sollen. „Man kann nicht die Freiheit eines Landes erreichen, indem man jedes Leben dort tötet“, sagte Lafontaine. Das SPD-Präsidium bewertete die Friedensdemonstrationen vom Wochenende positiv. Sie hätten sich nicht einseitig gegen die USA gerichtet, sondern die Angst der Menschen vor Krieg ausgedrückt. Das FDP- Präsidium hat sich dafür ausgesprochen, Israel das Raketenabwehrsystem Patriot „schleunigst“ zur Verfügung zu stellen, „wenn es gewünscht wird“.
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