»Vertrauen wird zwangsläufig zerstört«

■ TU-StudentInnen wehren sich gegen »Spitzelparagraphen« des Ausländergesetzes/ Uni-Leitung zögert noch

Berlin. Knapp vier Wochen ist das neue Ausländergesetz in Kraft, doch derzeit scheinen mehr die MitarbeiterInnen der Behörden mit seinen Paragraphen zu kämpfen, als die ImmigrantInnen mit den Behörden. Türkische StudentInnen des BTBTM, des türkischen Wissenschafts- und Technologie-Zentrums an der Berliner TU, wollen es dazu erst gar nicht kommen lassen.

Sie möchten vor allem die Anwendung der Paragraphen 75 bis 80 verhindern, die die Übermittlung der Daten von ImmigrantInnen regelt — und damit auch die Daten ausländischer StudentInnen. In einem Schreiben hat der BTBTM den TU-Präsidenten Fricke zu einer offiziellen Erklärung aufgefordert, derzufolge keine Daten ausländischer StudentInnen an die Ausländerbehörde übergeben werden sollen — bislang ohne Resonanz. Als »Körperschaft des öffentlichen Rechts« könne die TU nicht gegen geltende Gesetze handeln, erklärte TU-Vizepräsident Steinmüller Montag abend im Rahmen einer vom BTBTM organisierten Veranstaltung, machte aber aus seiner Kritik an dem neuen Ausländergesetz keinen Hehl.

Laut Paragraph 76, Absatz 2 des neuen Gesetzes sind seit Januar alle öffentlichen Stellen, also auch die Hochschulen, verpflichtet, der Ausländerbehörde unverzüglich Meldung zu machen, sollten sie vom illegalen Aufenthalt eines Ausländers oder einem »sonstigen Ausweisunggrund« erfahren. Was dies für die Hochschulen bedeuten kann, verdeutlichte der Präsident der Universität Oldenburg, Professor Daxner: »Ohne ausdrückliche Aufforderung« müßten danach zum Beispiel die MitarbeiterInnen der Prüfungsämter, Immatrikulationsämter, Auslandsamt, Studentenwerk, Bafögamt oder der Bibliothek der Ausländerbehörde mitteilen, wenn ein ausländischer Student sein Studium — und damit seinen »Aufenthaltszweck« — nicht ordnungsgemäß erfüllt, wiederholt gegen Rechtsvorschriften verstoßen oder sich unerlaubt politisch betätigt hat. »Das Vertrauen«, so Daxner, »das Bediensteten beispielsweise in den Hochschulen bisher von ausländischen StudentInnen entgegengebracht werden konnte, wird damit zwangsläufig zerstört.«

Datenschutzrechtlich mache das Gesetz AusländerInnen zu Bürgern zweiter Klasse, konstatierte Montag abend der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka. Bevor den Behörden nicht klare Präzisierungen vorgegeben seien, »halte ich es für rechtmäßig, keine Daten herauszugeben.«

Ob sich die TU-Berlin zu einer ähnlich klaren Stellungnahme wie die KollegInnen der Universität Oldenburg entschließen kann, wird sich auf der Sitzung des akademischen Senats (AS) am 6. Februar heraustellen, wenn eine entsprechende Vorlage diskutiert werden soll. Mehrere Fachbereiche der TU haben den Präsidenten bereits aufgefordert, Einspruchsmöglichkeiten gegen den sogenannten »Spitzelparagraphen« zu prüfen. Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, wollen die StudentInnen des BTBTM und anderer ausländischer StudentInnengruppen bis zum 6. Februar ihre Unterschriftenkampagne gegen das neue Ausländergesetz fortsetzen. anb