„Gefangener der Paranoia der Nation“

Die in Großbritannien internierten Staatsangehörigen arabischer Länder — wie Abbas Shiblak — sind völlig rechtlos PORTRÄT  ■ Von Ralf Sotscheck

Am Abend des 17. Januar — einen Tag nach dem Angriff auf den Irak — wurde Abbas Shiblak von zwei Beamten der Einwanderungsbehörde, die zur Sicherheit zwei Polizisten mitgebracht hatten, in seiner Wohnung im Londoner Stadtteil Kilburn verhaftet. Er verbrachte zehn Tage im Pentonville- Gefängnis in London und wurde vorgestern nach Full Sutton verlegt, wo Internierte nach Angaben des Innenministeriums „mehr Freiheiten“ haben. Das Innenministerium hat seine Deportation angeordnet. Shiblaks Antrag auf eine richterliche Untersuchung seines Falles wurde abgelehnt. Ein Richter erklärte, die Gerichte könnten keine Fälle verhandeln, in denen es um die nationale Sicherheit gehe.

Abbas Shiblak ist Libanese. Er wurde 1944 in Haifa geboren, doch vier Jahre später zog seine Familie nach Beirut. Nach Schulabschluß studierte er Jura in Kairo und bekam 1966 eine Stelle als Dozent in Algerien. Als kurz nach seiner Rückkehr in den Libanon dort der Bürgerkrieg ausbrach, siedelte Shiblak 1975 mit seiner Frau Farehan, die ebenfalls aus dem Libanon stammt, nach Großbritannien um. Ihre beiden Kinder sind in Großbritannien geboren und haben die britische Staatsbürgerschaft. Abbas Shiblak erhielt 1987 eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und sollte noch in diesem Monat eingebürgert werden. Doch daraus wurde nichts. Shiblak erfuhr erst knapp eine Woche nach seiner Internierung, warum er ein „nationales Sicherheitsrisiko“ darstelle: Er habe „bekannte Verbindungen zu einer Organisation, die unter den derzeitigen Umständen terroristische Aktionen gegen unbekannte westliche Ziele“ durchführen könne. Shiblak hat zuletzt für die Arabische Liga gearbeitet, eine unpolitische Organisation, die sich selbst als „EG der arabischen Länder“ beschreibt. Außerdem ist er Mitglied der „Arabischen Organisation für Menschenrechte“ und hat in der Vergangenheit wiederholt öffentlich die Menschenrechtsverletzungen der irakischen Regierung angeprangert. Simon Louvish, der Herausgeber der Londoner Zeitschrift 'Jewish Quarterly‘, nannte Shiblak einen der „hervorragendsten Verfechter des Friedens und der Verständigung zwischen Juden und Palästinensern“. Farehan Shiblak sagte, ihr Mann sei zuversichtlich, daß er bald freigelassen werde, da er unschuldig sei. Diese Hoffnung entbehrt jedoch jeder Grundlage.

Seit der Invasion Kuwaits im vergangenen August sind 78 Staatsangehörige arabischer Länder aus Großbritannien deportiert worden. 60 Iraker und sieben Palästinenser sind zur Zeit interniert und sollen ebenfalls deportiert werden, während 35 Angehörige der irakischen Armee, die bei Kriegsbeginn an britischen Universitäten studierten, im eilig errichteten Kriegsgefangenenlager Rollestone bei Salisbury festgehalten werden — „unter strikter Einhaltung der Genfer Konvention“, wie ein Armeesprecher versicherte. Die Anwälte der internierten „Zivilisten“ sind machtlos. Der einzige Weg, der ihnen offensteht, ist eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Das kann jedoch lange dauern. Ein Anwalt sagte: „Sie müssen sich entscheiden, ob sie den langen Kampf auf sich nehmen wollen, oder ob sie einer Deportation zustimmen.“