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Bernie, der Bösewicht

■ Vermonts eigenwilliger Congressman eckt an

Burlington, Vermont (taz) — Bernie Sanders ist einmalig. Er ist der einzige unabhängige Kongreßabgeordnete in den USA. Er ist der einzige selbsternannte Sozialist in beiden Kammern des Kongresses. Und er ist das einzige weiße Mitglied des Repräsentantenhauses, das (neben fünf Vertretern der schwarzen Abgeordnetengruppe „Black Caucus“) Präsident Bush auch nach Kriegsbeginn noch die Gefolgschaft versagt hat. Dafür muß Bernie Sanders jetzt zu Hause, in seinem Wahlkreis, dem Bundesstaat Vermont, büßen.

Zum ersten Mal wird der Mann mit dem schütteren Haar und dem schnellen Mundwerk, der sich in seiner achtjährigen Amtszeit als Bürgermeister der 50.000-Einwohner-Stadt Burlington selbst unter Konservativen Achtung verschafft hat, bei seinen Auftritten in Vermont attackiert und ausgebuht. In den ersten Tagen nach seiner Neinstimme gegen den Präsidenten stand das Telefon in seinem Wahlkreisbüro nicht mehr still. Die große Mehrheit derer, die Sanders erst im November als ihren Vertreter nach Washington geschickt hatten, beschwerte sich über den mangelnden Patriotismus ihres Repräsentanten. Seitdem reist der gute Bernie, einer der ganz wenigen Hoffnungsträger der amerikanischen Linken, wie ein verzweifelter Handelsvertreter durch seinen Wahlkreis. Es gilt, dem Volk die Tatsache zu verkaufen, daß er mit seinem Votum im Kongreß nicht etwa gegen die eigenen Truppen, sondern nur gegen die Kriegspolitik des George Bush gestimmt habe. Denn auch in Vermont, aus dem gerade mal 300 Reservisten und Mitglieder der Nationalgarde an den Golf geschickt wurden, sind „unsere Truppen“ derzeit heilig.

Durch Monkton sei er noch nicht gekommen, der Bernie, so erzählen mir die neu eingewanderten Land-Yuppies, die auf der Anhöhe über der 600-Seelen-Gemeinde gerade brav ihren Plastikmüll zum Recycling-Depot bringen. David, der vor sieben Jahren aus dem hektischen New York ins idyllische Monkton mit seinen weiß und blau gestrichenen Holzhäusern gezogen ist und bei IBM arbeitet, weiß zwar nicht so genau, wie er selbst zum Golfkrieg steht, aber Bernies kritische Position kann er in jedem Fall akzeptieren. „Der ist wenigstens konsequent; deswegen haben wir ihn ja schließlich gewählt.“

Unten im Dorf, im Post Office, das eigentlich nur das verlängerte Wohnzimmer von Postmaster Dolores Shea ist, gibt es unter den alteingesessenen Vermontern allerdings heftige Kritik am „Congressman“ zu hören. Zwar haben auch viele der 1.200 Vermonter Milchfarmer im November für Sanders und seinen Vorschlag eines staatlich subventionierten Milchpreises gestimmt; aber wenn es um die Verteidigung der eigenen Scholle im arabischen Wüstensand geht, dann scheint sich unter den Bauern doch wieder ihr konservativer Grundtrieb durchzusetzen. „Wo gibt's denn so was?“, empört sich einer der Farmer in Monkton beim Abholen seiner Post, „den eigenen Jungs am Golf so in den Rücken zu fallen!“

Geteilter Meinung sind auch die beiden Lokalzeitungen ob Bernies kontroverser Position. Die im letzten Jahr aus zwei linken Postillen hervorgegangene 'Vermont Times‘ hat sich mutig für Sanders und gegen den Krieg entschieden. „Nicht ohne ein gewisses kommerzielles Risiko“, wie Chefredakteur Tim Peek bemerkt. Die Konkurrenz, die zur großen Zeitungskette der Gannett Corporation gehörende 'Burlington Free Press‘, ist dagegen auf Nummer sicher gegangen. Sie unterstützt die Truppen, den Präsidenten und den Krieg.

Was Bernie Sanders selbst angeht, hat sich das Blatt bisher eines Urteils enthalten. Die große Frage sei, so Redakteur Rob Elroy, ob Sanders seinen Stand gegen den Krieg politisch überleben könne. „Aber vielleicht“, so spekuliert der Lokalredakteur von der 'Burlington Free Press‘ weiter, „wird Sanders aufrechte Haltung am Ende ja sogar von seinen politischen Gegnern respektiert werden.“

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