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SPD uneins über deutsche Truppen in der Türkei

■ Grüne: Weiterer Schritt zur Beteiligung am Krieg

Bonn (taz/afp) — Die SPD-Bundestagsfraktion hat am Dienstag drei Stunden lang über den Golfkrieg und deutsche Militärhilfen für die Türkei und Israel diskutiert. „Viele“ hätten sich eindeutig gegen das Entsenden von Bundeswehrsoldaten und Abwehrraketen in die Türkei ausgesprochen, berichtet der SPD-Sicherheitsexperte Hermann Scheer. Er selbst hält die Aktion für „Salamitaktik der Bundesregierung, um die Voraussetzungen für ein eigenes militärisches Engagement zu schaffen“. Weder Wehrpflichtige noch Freiwillige sollten seiner Meinung nach in die Türkei geschickt werden. Die Fraktion konnte sich jedoch nicht auf eine gemeinsame Erklärung gegen den Beschluß der Bundesregierung einigen. Dazu Scheer: „Es gibt eine Minderheit, die nichts dagegen hat.“ Der bis gestern als außenpolitischer Sprecher der Fraktion amtierende Karsten Voigt kritisierte das Verlegen von Flugabwehrsystemen in die Türkei „ohne vorhergehende Beratung und Entscheidung des Bundestages“. Er lies jedoch offen, ob er die Aktion auch grundsätzlich ablehnt. Auf jeden Fall dürften die Waffen nur mit Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit im Bundestag zum Einsatz kommen. Hermann Scheer sieht eine 50prozentige Wahrscheinlichkeit, daß die Bundesregierung den Bündnisfall erklärt und die deutschen Soldaten einen Einsatzbefehl bekommen. Sollte zuvor der Bundestag nicht gefragt werden, will die SPD vor das Verfassungsgericht gehen. Mit der Entscheidung der Bundesregierung, unverzüglich militärische Einheiten in die Türkei zu verlegen, ist nach Ansicht der Grünen ein weiterer Schritt zu einer direkten Beteiligung deutscher Truppen am Golf vollzogen. Gleichzeitig unterstütze Bonn damit die „menschenrechtsverletzende Politik der türkischen Führung“, erklärten Bundesvorstandsmitglied Ozan Ceyhun und die Europaabgeordnete Claudia Roth. Die Bundesregierung mache sich somit zum „Erfüllungsgehilfen und Handlanger“ des türkischen Staatspräsidenten Turgut Özal. Frau Roth kündigte an, sie werde in die Türkei und nach Kurdistan reisen, um stellvertretend für die deutsche Friedensbewegung deren Solidarität zu übermitteln.

Mit einem „kollektiven Antrag“ auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer haben 22 Bundeswehr- Reservisten am Mittwoch in Hamburg gegen den Golfkrieg protestiert.

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