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Krieg und Brötchen — alles frisch!

■ ARD-Intendanten tagten in Köln/Dank Golfkrieg schnellten die Einschaltquoten in die Höhe

Der Umstand, daß nicht nur CNN, sondern hierzulande auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu den Kriegsgewinnlern gehört, läßt sich nicht verhehlen. So sehr sich die ARD-interne Elefantenrunde auf ihrer Intendanten-Tagung am 29. und 30. Januar in Köln auch mühte, die zynische Komponente dieses Tatbestandes herunterzuspielen, gänzlich leugnen wollte man diesen Zusammenhang denn doch nicht. Da bekundete ARD-Politik-Koordinator Martin Schultze zwar mit Leidensmiene, wie sehr es ihm angesichts dieser Situation doch widerstrebe, von Einschaltquoten zu reden, verkündete jedoch im selben Atemzug nicht ohne Stolz, daß die ARD-Berichterstattung zum Golfkrieg in puncto Zuschauerinteresse das ZDF weit hinter sich gelassen habe. Von den „Privaten“ erst gar nicht zu reden. (Bemerkenswert, in welchem Maße sich die ARD-Oberen einen süffisanten Sprachduktus zu eigen gemacht haben, der, wann immer die Rede auf die ungeliebte Konkurrenz kommt, die despektierlich-arroganten Anführungszeichen hörbar werden läßt.)

Die Medienschelte einer gewissen Schlafmützigkeit hinsichtlich der Berichterstattung über die ersten Kriegstage wollte man jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen. Zwar räumte Programmdirektor Dietrich Schwarzkopf ein, daß es da einige „Pannen, Fehlschaltungen, vermeidbare Durchhänger und Schwächen“ gegeben habe, stieß jedoch ansonsten — als sei dies schon ein Beweis für journalistische Kompetenz — in dasselbe Quotenhorn. Kriegsgewinnler Nummer eins ist ohne Frage das öffentlich-rechtliche Frühstücksfernsehen. Die Gunst, respektive Tragik der Stunde erlaubt, respektive erfordert es nun, die improvisierte öffentlich-rechtliche Berichterstattung zu früher Stunde fortzusetzen, „solange der Krieg dauert“ (Nowottny). In anderen Berichten ist man hingegen durchaus willens, der „Halbwertszeit“ der kriegerischen Auseinandersetzung Rechnung zu tragen. Die Sondersendungen um 20.15 Uhr sollen ab sofort reduziert werden, und nächtens erwartet Spätheimkehrer statt des erhofften Spielfilms seit kurzem das (leidlich attraktive) Angebot „Videotext für alle“. Nichtsdestotrotz wird es weiterhin eine Art Bereitschaftsdienst rund um die Uhr geben, der es erlaubt, „gegebenenfalls sofort auf Sendung“ zu gehen.

Angesichts des (Medien-)Krieges am Golf gerieten Themen und Probleme der deutschen Einheit unversehens in den Hintergrund der ARD- Intendantenrunde. Immerhin hat man sich nach anfänglicher Entrüstung zu der Erkenntnis durchgerungen, daß ein „Fernsehen für alle Deutschen zum Nulltarif“ (Friedrich Nowottny) nicht zu haben ist. Mit der Urania-Film und TV wurde für 165 Spielfilme ein Nachschlag von fünf Prozent für die Ausstrahlungsrechte in den neuen Bundesländern ausgehandelt. Ob dieser Abschluß jedoch die erhoffte „Beispiel- und Signalfunktion“ haben wird, bleibt fraglich. Schließlich fordern andere Vertragspartner wie Leo Kirch auch weiterhin einen Nachschlag von 20 bis 25 Prozent. Reinhard Lüke

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