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„Das Ding muß erstmal loslaufen!“

■ Seite gestern ist FAB, das Fernsehen aus Berlin, auf Sendung

Berlin ist eine europäische Metropole, und Metropolen brauchen ein besonderes Fernsehprogramm. Seit gestern ist FAB — Fernsehen Aus Berlin — auf Sendung, und alle metropolitanen Berliner können aufatmen. FAB will das „neue Lebensgefühl“ der erwachenden Weltstadt „im Herzen Europas“ transportieren (so FAB-Vorstandsvorsitzender Paul Stutenbäumer) und dabei mehrere Balanceakte gleichzeitig versuchen: Das Programm soll regional sein, aber nicht provinziell, kommerziell und zugleich kritisch, „Special-interest-Sendungen“ stark machen und trotzdem ein Fernsehen für alle sein. Was will man mehr?

Der neue Sender „für die aktiven und kulturell interessierten Berliner“ will nach eigenem Bekunden die eingetretenen Pfade bisheriger Fernsehkonzeption verlassen. Er versteht sich als regionales Informations- und Serviceprogramm und will bewußt auf Serien und Spielfilme, die bei überregionalen Privatsendern wie RTL plus den Hauptbestandteil des Programms bilden, verzichten.

An FAB sind Berliner Film- und Fernsehproduzenten aus beiden Teilen der Stadt beteiligt, unter anderem die Videoproduktionsfirma von FAB-Chef Stutenbäumer ECC (Electronic Cinematography Company Stutenbäumer KG), die jetzt die Sendungen der FAB-Kinoredaktion herstellt, und der (Ost-)Berliner Videoproduzent Thomas Grimm, der in der ehemaligen DDR in der exzeptionellen Lage war, eine eigene Videofirma betreiben zu dürfen und mit seinen Arbeiten für die Akademie der Wissenchaften bekannt geworden ist. FAB (englisch: „fäb“ wie „fabulous“, so der Mitarbeiterjargon) arbeitet dezentral. Die beteiligten, zumeist mittelständischen Unternehmen haben sich in der Regel bereits auf bestimmte Gebiete spezialisiert. Sie sollen die Sendungen selbständig herstellen und redaktionell betreuen. Basisdemokratisch soll's zugehen, „denn sonst kann sich nichts entwickeln“, erklärt Heiko Hanschke, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Werbeverkauf. Nur die Nachrichten- und Chefredaktion, die technische Sendeabwicklung und der Werbezeitenverkauf werden zentral geregelt. Das Programm von FAB ist auf eine Länge von täglich drei Stunden angelegt und wird rotierend rund um die Uhr ausgestrahlt. Der Zuschauer kann sich eine bestimmte Sendung also um 17.20 Uhr und noch einmal morgens um fünf Uhr anschauen. Wer dann immer noch nicht genug hat, kann sich das Programm der abgelaufenen Woche freitags ab 20.00 Uhr noch einmal im Block anschauen.

FAB will Tips und Anregungen für eigene Aktivitäten geben und interessiert sich vor allem für das, was vor der Haustür geschieht, erklären die Produzenten. Denn: Ob bei Musik, Theater- oder Kinosendungen, ob im Sport- oder Wissenschaftsmagazin oder bei Reisetips fürs Wochenende — alles spielt sich um die Ecke ab. Und weil die Ecken glücklicherweise in einer Metropole liegen, sind die FABler optimistisch. Im Mittelpunkt des Programms sollen politische und kulturelle Sendungen stehen, die einen direkten Bezug zu Berlin haben. Sie sollen Themen aufgreifen, „die den Berlinern auf den Nägeln brennen“. Ob es allerdings bei Zweitausstrahlungen wie der von Spiegel-TV oder bei der Partnerwahl, die einsame Herzen bereits aus dem Berliner Mischkanal kennen, brennen wird, ist fraglich.

Vielfältig und anspruchsvoll — so jedenfalls möchte sich FAB seinen ZuschauerInnen präsentieren. Kulturelle Hinweise und lokale Nachrichten gibt es zwar auch schon im Radio oder in Stadtmagazinen, aber das Fernsehen als optisches Medium könne doch gerade, was Theater- oder Filmkritiken angehe, noch ganz andere Facetten zeigen, meint Heiko Hanschke. Ob das allerdings reichen wird, um sich auf dem Berliner Markt durchzusetzen und ein Stück des heiß umkämpften Werbekuchens zu ergattern, gilt abzuwarten. Schließlich sind die FABler nicht die einzigen, die auf die Werbung als Finanzquelle setzen. „An FAB hängen keine Existenzen“, sagt Hanschke, „denn die Videofirmen arbeiten alle noch für andere Auftraggeber.“ Das mag für ihr Überleben sicher hilfreich sein, andererseits ergeben viele unabhängig produzierende Videostudios zusammengenommen noch nicht automatisch einen Fernsehsender mit redaktionellem Konzept.

Gewinnen möchte man mit dem FAB-Programm vor allem „jüngeres, studentisches“, soll heißen: gebildetes und kulturell interessiertes Publikum. „Vielleicht ist das in gewisser Weise eine Insidergeschichte“, meint Heiko Hanschke, aber ein professionell gemachtes Zielgruppenprogramm sei eben eine echte Lücke. Bei Zeitschriften gebe es das ja schließlich auch. die Resonanzen aus der Werbewirtschaft zeigten, daß das FAB-Konzept richtig sei, denn die wolle ihre Werbung möglichst gezielt und ohne Streuverluste plazieren. „Das Ding muß jetzt erstmal loslaufen“, heitert Hanschke sich auf, „schließlich gibt es so etwas wie FAB bis jetzt in keiner anderen Stadt.“ Da sei Bewegung drin, meint er, und das Programm werde sich sicher in den ersten Wochen noch ändern. FAB-Chef Stutenbäumer hält es indes für überlebensnotwendig, daß das Programm auf lange Sicht auch über Antenne empfangen werden kann. Bis jetzt ist der Sender nur über Kabel auf dem freigewordenen Kanal des ehemaligen DFF1 zu sehen. Eine in Kürze freiwerdende terrestrische Frequenz hat der Kabelrat gerade RTLplus zugesichert und sich dabei vorbehalten, Sendezeiten an regionale Anbieter zu vergeben. FAB, meint man dort, solle sein rotierendes Programm erst einmal „knackig und pointiert“ für ein regionales Fenster zusammenstreichen. Dann kann „fäb“ wie „fabulous“ unter Beweis stellen, wie es sich von den gängigen Privatsendern absetzen will.

Fürs erste gibt es bei FAB aus aktuellem Anlaß vom 15. bis 16. Februar ein Berlinale-Sonderprogramm, das in Interviews, Filmausschnitten und Berichten die wichtigsten Ereignisse zusammenfassen will. Für die Gäste der Berlinale wird der Sender alle Pressekonferenzen aus dem Pressezentrum in der Kongreßhalle live in das Cine Centrum an der Budapester Straße übertragen. Sandra Seubert

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