PISTEN-RAMBOS

■ Die Camel-Trophy in den Zeiten der Cholera: Zigarettenralley 91 wurde nach Tansania verlegt. Weltweite Proteste

Die Camel-Trophy in den Zeiten

der Cholera: Zigarettenralley 91

wurde nach Tansania verlegt.

Weltweite Proteste.

VONYÖRNKREIB

Herausforderungen bis an die Grenzen der Belastbarkeit, „das letzte echte Abenteuer unserer Zeit“. Welcher echte Mann verzehrt sich nicht danach, seine Männlichkeit endlich einmal unter Beweis stellen zu können. Bei den seit 1980 alljährlich durchgeführten Camel-Trophies dürfen zumindest einige wenige Ausgewählte ihre Machogelüste austoben — in unberührten Landschaften, mit Vorliebe in sogenannten Entwicklungsländern. Am Steuer ihrer Landrover nahmen die „Off- Road Warrier“ bisher unter anderem Sumatra (1981), Borneo (1985) und Madagaskar (1987) unter die Räder.

Ungefragte Einheimische, tropischer Regenwald, „Berge, Buddhas und Lotosblüten“ bilden die Kulisse, „die die Heldentaten des weißen Mannes ins rechte Licht rücken. Die Tatsache aber, daß in einem Land, in dem Millionen von Menschen um ihr Überleben kämpfen müssen, auf diese Weise Geld verschleudert wird, stört keinen“, stellte 1989 die Menschenrechtsorganisation „Erklärung von Bern“ fest.

Autowäsche im Wildbach

Bei der Beantwortung der Frage nach Umweltbelastungen bewies der Camel-Trophy-Manager L. Shapman 1990 wahre Radio-Eriwan-Qualitäten: „Im Prinzip zerstören Landrover nichts.“ Spurlos verlief die 90er „Perestroika“-Tour (auf „herrlich schlammigen Wegen“) in der Sowjetunion jedoch nicht. Da mußten schon mal Flußufer und Fischlaichgebiete dran glauben. Und der verdreckte Landrover wusch sich nirgends besser als im klaren Wildbach.

Die Belastung der ökologisch oft noch relativ intakten Landschaften wird durch den mitgekarrten Journalistenkonvoi noch erheblich gesteigert: 1990 wurde die Trophy von ungefähr 200 Journalisten in Bussen und Helikoptern begleitet. In der anschließenden Berichterstattung werden denn auch gerne beide Augen vor der Realität zugedrückt. Statt dessen wird immer wieder das Bild vom männlichkeitsfördernden Härtetest der Camel-Trophy bemüht.

Kaum jemand erfuhr so etwas von den am Baikal-See 1990 erstmals artikulierten Protesten gegen eine Camel-Trophy. Mit Straßenblockaden, Demonstrationen und Öffentlichkeitsarbeit konnte der „Baikal Fond“ den Ablauf der Tour erheblich stören. Daß das heilige Wort „Bajkal“ mit einer Schachtel Zigaretten assoziiert wurde, konnte aber nicht verhindert werden. Doch auch mit weiteren finanziellen Zuwendungen an die Direktion des Baikalsker Nationalparks (personell an der Ralleyorganisation beteiligt) konnten vom Veranstalter längst nicht alle Wogen geglättet werden.

Sand im Getriebe

Auf einmal aber scheint Sand im Getriebe. Überraschend wird Mitte Januar — das Auswahlverfahren läuft seit Oktober 1990 auf Hochtouren — ein Kurswechsel bekanntgegeben. Die geplanten „tausend Meilen am Fuße des Himalayas“ (Indien) lägen zum Teil in politisch-militärischem Risikogebiet und seien zudem für die Trophy ungeeignet. Bessere Verhältnisse erhofft man(n) sich im ostafrikanischen Tansania. Am 9. Mai sollen die Teams aus 17 Nationen in der Hafenstadt Daressalam starten. Nach einer „mörderischen“ Tour durch Savanne, Wüste und Urwald soll das Ziel am Tanganjika-See am 26. Mai erreicht sein. Auf ihrer Fahrt durch den Süden Tansanias werden sich die allradgetriebenen Landrover durch die drei für den Tourismus bisher kaum erschlossenen Wildreservate „Selous Game Reserve“, den „Ruha Nationalpark“ und das „Rungwa Game Reserve“ wühlen.

Mehr Touristen und dringend benötigte Devisen für den Infrastrukturausbau im Süden des Landes hatte das Ministerium für Umwelt und Tourismus in Tansania wohl im Auge, als es der Camel-Trophy das Jawort gab.

Der 'Evangelische Pressedienst‘ berichtet von den desolaten Gesundheitseinrichtungen in Tansania: „verfaulte Zwischendecken, die unter der Last des Fledermauskots nachgeben, Toiletten, in denen mangels Abfluß die Maden wimmeln“. Auftretenden Seuchen kann so nur ungenügend begegnet werden. Sowohl in Daressalam (Start) als auch am Tanganjika-See (Ziel) starben in den letzten Monaten Dutzende von Menschen an Pest und Cholera. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund mutet die Vergeudung notwendiger Devisen für eine Autoralley geradezu pervers an.

Weltweiter Widerstand

Gegen die 90er Trophy konnte eine internationale Protestbewegung noch nicht rechtzeitig mobilisiert werden. Das hat sich jetzt geändert. In enger Kooperation mit indischen und nepalesischen Organisationen hat die Arbeitsgemeinschaft „Tourismus mit Einsicht“ (TmE) eine weltweite Anti-Camel-Trophy- Kampagne gestartet. Einiges spricht dafür, daß der Veranstalter den Wechsel nach Tansania auch aus Angst vor massiven, imageschädigenden Protesten in Indien vollzog. Aber auch gegen die Trophy in Tansania soll es Proteste geben, denn Ziel war nicht, nur die Camel-Trophy im Himalaya zu verhindern, sondern diese Veranstaltung insgesamt zu Grabe zu tragen. Scharf verurteilt wird die Trophy von TmE, weil sie allein der Promotion von Firmenimage und gesundheitsschädlichem Zigarettenkonsum diene. Daneben werden vor allem die verursachten Umweltschäden, die Verbreitung männlichen Chauvinismus sowie die Zementierung sterotyper Klischees fremder Kulturen kritisiert (etwa im Falle Papua-Neuguineas: „Tausend Meilen durch die Steinzeit“).

Neuer Trend: Autorennen für Touristen

Die Camel-Trophy ist nur die extreme Vorhut eines rasant anschwellenden, nachströmenden Heeres von selbsternannten Pisten-Rambos. Autorennen für Touristen erfreuen sich wachsender Beliebtheit — trotz (oder gerade wegen?) der weltweiten Diskussion über Umweltschutz und sanften Tourismus. Allein der römische Touristikveranstalter „Safariland Reisen“ schickt jährlich 40 bis 50 Fahrzeuge mit mehr als 100 Teilnehmern auf Indienralley.

Ob „Off Road Ralleys“ in Mexiko (Baja 1000), Südamerika (Trans Amazonas) oder Indien (Himalaya Ralley) — überall in der sogenannten Dritten Welt nehmen sich die Pseudoabenteurer heraus, was zu Hause schon lange nicht mehr genehmigungsfähig ist. In Moskau schließlich will Gorbi 1992 persönlich die 13.000 Kilometer lange Autoralley „Moskau-Wladiwostok“ auf den Weg „durch Gebiete, die noch nie ein Ausländer befahren hat“, schicken. Die ob ihrer Umweltunverträglichkeit zunehmend ins Gerede geratene Automobilindustrie wird diesen Trend mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen.