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Algerische Islamisten verlieren Machtprobe

Die von der „Islamischen Heilsfront“ angekündigte Solidaritätsdemonstration mit Saddam blieb eher klein  ■ Aus Paris Oliver Fahrni

Algier, die Weiße, erwachte Donnerstag früh unter strömendem Regen zu einem fiebrigen Wochenende. Die Armee hatte um die Stadt Panzerverbände zusammengezogen. Über Nacht gingen starke Polizeitrupps in Stellung. Radio Trottoir, die Gerüchtebörse, meldete Hamsterkäufe. Die Islamische Heilsfront (FIS) hatte zur großen nationalen Solidaritätsdemo mit dem irakischen Volk gerufen.

Die Demonstration der Islamisten war als Machtprobe mit der Regierung angelegt. „Eine Million Manifestanten oder mehr“ hatte der FIS versprochen. Aus dem ganzen Land wurden Parteigänger angekarrt. Damit wollten die Islamisten festklopfen, daß sie die erste politische Kraft im Lande sind, und gleichzeitig testen, wie weit sie im Tauziehen um die Macht mit Premier Hamrouche und der Armee gehen können.

Gleich nach Kriegsbeginn hatten sich alle algerischen Parteien, die regierende Nationale Befreiungsfront (FLN) voran, vehement „gegen die imperialistische Aggression“ gestellt und tägliche Manifestationen organisiert. Die Islamisten, am saudischen Geldtropf großgeworden, zögerten erst, zogen aber dann die Massen hinter sich. Sie profitieren davon, daß sie als Verteidiger eines radikalen Islam in diesem „Kreuzzug des Westens gegen den Islam“ besser legitimiert scheinen als die neu entstandenen Parteien. Die regierende FNL wird ohnehn mit bankrotten Entwicklungshoffnungen identifiziert. Sofort radikalisierten die Moslems die Volksbewegung mit der Forderung an die Regierung, Traningscamps für die Irak-Freiwilligen aufzumachen.

Präsident Chadli erkannte die Gefahr und nahm die Herausforderung an. Anfang der Woche rief er, ohne den FIS ausdrücklich zu nennen, zur „Volksfront gegen die Feinde der Ordnung und Demokratie“. Damit war allen klar, daß um das Irak-Engagement die Machtfrage ausgetragen wird. Ein sichtbares Ergebnis dieses Machtkampfs wird sein, wie lang Chadli die von den siegessicheren Islamisten geforderten Parlamentswahlen noch hinauszögern kann. Dem FIS sind bis dahin auch in den zahlreichen Lokalparlamenten, in denen er schon die Mehrheit hat, die Hände gebunden: Die wichtigsten Probleme der Algerier — akute Wohnungsnot, Klientelwirtschaft, Versorgungskrise — liegen nicht im Zugriff der Gemeinden.

Eine wachsende Fraktion der Islamisten (die sich bislang peinlich genau an die demokratischen Spielregeln gehalten haben) denkt, daß die Macht nicht mehr über Wahlen, sondern auf der Straße zu gewinnen sei. Letzte Wopche zirkulierte in den Moscheen ein „Brevier zur Machtübernahme“, das systematisch auflistete, wie Algerien „à l'iranienne“ destabilisiert werden könnte. Dabei könnten sich die Moslembrüder auf ein sehr effizientes Netz sozialer Organisationen verlassen, das sie über die Gesellschaft gelegt haben.

Die Testdemo vom Donnerstag brachte nicht den gewünschten Erfolg. Vielleicht 150.000 Menschen, der harte Kern der Aktivisten, zogen durch Algiers Straßen. Saddam wurde kaum erwähnt, Regierung und Parlament des Verrats bezichtigt. Die Polizei hielt sich zurück.

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