: Im Krieg gelten andere Gesetze
■ Ausländer von „da unten“ sind nach Meinung deutscher Behörden Diskriminierung gewohnt
Die nach der Einheit Deutschlands verstärkt festgestellte Ausländerfeindlichkeit scheint durch den Golfkrieg neue Nahrung erhalten zu haben. Wenn dieser Krieg länger dauert — was zu befürchten ist —, dann wird sich mit der Verbreitung der Angst auch der Haß gegen Araber, Orientalen und Moslems verschärfen. Bald wird man hierzulande in jedem Schwarzhaarigen einen Saddam Hussein erblicken. Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen, vorübergehende Festnahmen, Erschweren der Behördengänge, Verdächtigungen und Diskriminierungen sind oft so provozierend, daß auf Seiten der Betroffenen Wut und Haß entstehen. So sollte es niemanden wundern, wenn diese Provokationen zu Reaktionen führen. Zu fragen wäre in diesem Zusammenhang, inwieweit die Maßnahmen, die in diesen Tagen im Eifer des Gefechts getroffen werden, tatsächlich vernünftig sind und der Sicherheit dienen. Oft drängt sich mir der Eindruck auf, daß die zuständigen Beamten die berechtigte Angst vor Terrorakten zum Vorwand nehmen, ihrem versteckten Haß auf Fremde freien Lauf zu lassen.
Als ich kürzlich von Bremen nach Berlin fliegen wollte, wurde mir in knappen Sätzen mitgeteilt, daß die Fluggesellschaft Pan Am die Anweisung erhalten habe, keine Fluggäste zu befördern, die aus dem Nahen Osten stammen. Auf meine Frage, wer diese Maßnahme angeordnet habe und wie die Begründung dafür laute, erteilte man mir keine Auskunft; ich solle mich gefälligst an die Geschäftsleitung wenden — was ich auf der Stelle tat. Ein Mr. Succhi in Berlin bestätigte die Anordnung; es handele sich um eine Anweisung der US-Regierung, die selbstverständlich strikt befolgt werden müsse. Dafür solle ich doch Verständnis haben. „Sie wissen ja, was da unten los ist“, fügte er hinzu.
Daß diese Maßnahme auch die Inlandflüge der Pan Am betrifft — deren Richtlinien wohl von deutschen Behörden festgelegt werden sollten —, und daß durch diese Anweisung das verbriefte Recht auf Freizügigkeit für Hunderttausende von ausländischen Bürgern eingeschränkt wird, kümmerte ihn offenbar wenig. Krieg sei Krieg, da gelten andere Gesetze! Demnach hält man es auch nicht für nötig, eine solche Anordnung zu veröffentlichen, damit die Betreffenden ihre Reisepläne entsprechend festlegen können; es reicht, wenn man sie am Flughafen schlicht abweist. Das würden diese Iraner, Iraker, Palästinenser und all jene, die von „da unten“ herkommen, schon schlucken. Die sind an Diskriminierungen gewöhnt.
Ich weiß nicht, wie weit Politiker und Journalisten, die jetzt Haß schüren und den Golfkrieg als eine Auseinandersetzung zwischen dem christlich-zivilisierten Abendland und den vermeintlich barbarischen Moslems darstellen, an die Zukunft denken. Es leben in Europa Millionen von Moslems. Wie soll der soziale Frieden gewährleistet werden, wenn diese Stimmung weiter angeheizt wird? Bahman Nirumand
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