: The Good, the Bad and the Ugly
Überraschend führte Italien nach den ersten beiden Davis-Cup-Tagen gegen Deutschland mit 2:1 ■ Aus Dortmund Matti Lieske
Das vereinigte Italien gegen Boris Becker“, titelte die 'Gazzetta dello Sport‘ süffisant vor dem Davispokaltreffen Deutschland — Italien. So ganz entsprach dies nicht den Tatsachen. Schließlich handelte es sich beim italienischen Team eher um eine Stadtauswahl Bolognas und auf seiten der Deutschen griffen außer dem neuen Liebling des ATP-Weltranglisten-Computers auch noch die Herren Stich und Jelen zum Racket. Ganz unrecht hatte das rosarote tägliche Sportbrevier des Italieners aber nicht. Ohne Becker hätten sich die Tennisgermanen wohl schon nach dem zweiten Tag mental auf die Abstiegsrunde vorbereiten können, und am unerwarteten Höhenflug der Südländer hatten neben den Signori Camporese und Cane aus Bologna auch der Neapolitaner Diego Nargiso und der Römer Adriano Panatta erheblichen Anteil.
„Das Ergebnis kann ich nicht vorhersagen, aber unser Team wird eine wunderschöne Figur abgeben“, hatte Paolo Bertolucci, der einst mit Adriano Panatta das wohlgenährteste Team der Tennisgeschichte formte, welches 1976 den Davis Cup gewann, kühn prophezeit, und er sollte Recht behalten. Sportlich sowieso, aber auch rein optisch betrachtet.
Da wäre zuerst Omar Camporese, dessen Namen seit seinem Fünfeinhalbstunden-Match gegen Boris Becker bei den Australian Open sogar Ion Tiriac fehlerfrei aussprechen kann. Er besticht nicht nur durch 200-Stundenkilometer-Aufschläge (BRD-Trainer Niki Pilic), sondern gleichermaßen durch sein Don- Johnson-Bärtchen und ein schüchtern-verträumtes Clint-Eastwood- Lächeln. Ihm zur Seite steht Paolo Cane, äußerlich eine verwegene Mischung aus Rauschgoldengel und Heavy-Metal-Gitarrist, der im letzten Jahr für einige Wochen Italiens Schoßkind war, bis Gianni Bugno und Toto Schillaci ihre übermächtigen Schatten auf ihn warfen. Damals hatte er auf einem sardischen Sandplatz fast im Alleingang Schweden aus dem Davis Cup geworfen und dabei in einem sich über zwei Tage erstreckenden Match Mats Wilander niedergerungen.
Diego Nargiso mit dem eigenwilligen Mike-Krüger-Antlitz vervollständigt das illustre Trio, das eine Bereicherung für jeden Italo-Western wäre — The Good, the Bad and the Ugly in der mediterranen Volksausgabe, Sergio Leone hätte seine Freude daran gehabt.
Und über allem thront der Teamchef, Adriano Panatta, der mit edler Grazie das Gesicht eines verfetteten Mastroianni spazierenträgt, in der Pressekonferenz lässig eine Zigarette schmaucht und genauso coacht wie er früher spielte: bloß keine Bewegung zuviel, aber jede Menge Gespür. Warum er denn so sauer aus der Wäsche blicke, wurde er nach dem Sieg seines Doppels gefragt. Antwort: „Das passiert mir immer, wenn mir Gutes widerfährt.“
Gutes widerfuhr ihm zur Genüge am Samstag in Dortmund. „Wir hatten damit gerechnet, 0:5 zu verlieren, und jetzt führen wir 2:1“, frohlockte Camporese nach dem gewonnenen Doppel. Zwar hatte Cane programmgemäß das Auftaktspiel gegen Becker mit 3:6, 6:1, 4:6, 4:6 verloren — nicht ohne dem Weltranglisten-Ersten, der noch halb in Australien schwebte, einige Probleme zu bereiten — aber dann kam bereits der Knacks bei den Gastgebern.
Niki Pilic wußte nur zu gut, warum er so verzweifelt dreinschaute, als Michael Stich gegen Camporese sang- und klanglos mit 6:7, 1:6, 3:6 unterging. Ein 2:0 wäre, so sah es auch Paolo Cane, die Entscheidung gewesen, und gerade von Stich hatte Pilic bei dessem ersten Davis-Cup-Auftritt zuhause Großes erwartet. Doch Michael Stich ist kein Carl-Uwe Steeb, was schon allein am Namen liegt. Die volkstümliche Zuneigung, die dem treuen „Charly“ dank seines sprechchorfreundlichen Kosenamens zuteil wurde, ist durch die gewaltigsten Aufschläge nicht wettzumachen. Da geht höchstens noch „Rudi“ drüber.
Eher konsterniert schauten die 11.600 Besucher zu, wie Stich, der im ersten Satz gut gespielt, aber im Tie-break verloren hatte, rapide abbaute und von Camporese gnadenlos ausgespielt wurde. „So oft, wie ich nach vorne gegangen und passiert worden bin, hat's keinen Spaß mehr gemacht, also habe ich es gelassen“, rechtfertigte Stich seine phasenweise sehr defensive Taktik. Im Davis Cup brauche es halt Erfahrung, die habe er nicht, drum sei er verkrampft und nervös gewesen, erläuterte er seine Gemütsverfassung, im Grunde ein Plädoyer dafür, ihn im Einzel gegen Cane nicht mehr aufzustellen. Wenn das Doppel gewonnen werde und „Boris dann den dritten Punkt macht“, spiele er allerding gern das Abschlußmatch.
Es kam jedoch anders. In einem eher nichtssagenden Doppel, das ausgeglichen war und von der Aufschlagstärke der beiden Teams bestimmt wurde, waren Camporese und Nargiso zu guter Letzt die Glücklicheren. Zwei verlorene Aufschlagspiele des insgesamt sehr gut spielenden Eric Jelen ermöglichte den Italienern einen 4:6, 6:4, 7:6, 4:6, 6:3-Sieg gegen Becker/Jelen und ließen die italienischen JournalistInnen bereits von einem „Sonntag alla bolognese“ fabulieren: mit Triumphen der drei Bologna- Sprosse Omar Camporese, Paolo Cane und Alberto Tomba.
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