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Verzweifelt faucht der Federball

Deutsche Meisterschaften im Badminton/ Eine Disziplin im Aufbruch nach Olympia  ■ Aus Duisburg Thomas Meiser

Schrecklich, all das. Tobende Massen. Schnelle dumpfe Schläge, als ob ein mit feinem Sand gefüllter Strumpf den Kopf trifft. Etwas Kleines wird geschlagen, das wehrlose Objekt faucht verzweifelt. Man haut es immer wieder hin und her, und es muß Federn lassen. Ist das winzige Etwas zuschanden geprügelt, so wird es ausrangiert — das übliche Schicksal eines Federballes, der geduldig und brav seinem kurzen Tagwerk nachgeht. Bumm, bumm, Müllsack.

Die Aktiven der einzigen Sportart, die während des Vollzugsaktes ihr wichtigstes Sportgerät zerstören, verdrängen diesen Umstand. Bizarrerweise gibt es dazu in der Tierwelt eine Parallele: Auch die Gottesanbeterin wird kaum mit der ganzen Wahrheit leben können. Folglich greifen die Sportsleute zu einem semantischen Trick: „Nenne es nicht Federball“, sagen sie. „Federball ist ein Spiel für rheumatische Omis, wir aber spielen Badminton.“

Auch ihre Sportart hat demnächst olympische Premiere. Sie tragen ihre größten Matches nicht in — pah! — Wimbledon, sondern in der Royal Albert Hall aus. Sie sind es, nicht die Beckers und Grafs, deren Gänsefederbälle Geschwindigkeiten von 300 Stundenkilometern lässig erreichen können.

Ihr Sport ist viel anstrengender als Tennis und mindestens genauso attraktiv, nur rechnet er sich für sie noch lange nicht. Deswegen mußte die elffache deutsche Meisterin Kirsten Schmieder auch Ärztin werden. Sie wurde während der Deutschen Meisterschaften in den Ruhestand verabschiedet.

Aber die Disziplin befindet sich im Aufbruch, einschlägige Rituale der Feierlichkeit sollen das randständige Sportereignis zum Erlebnisraum machen. Ab jetzt gilt auch hier die VIP-Lounge als unverzichtbar zur Abgrenzung vor dem gemeinen Volk. Nur, die Lounge ist Privileg als Selbstzweck. Spezereien und Labsal werden nicht gereicht. Und elitäres Setting vermag sich beim Anblick des örtlichen Bürgermeisters nicht so recht einstellen, er hat was von Max Schmeling.

Funktionäre wieseln in uniforme blaue Blazer gewandet durch das Foyer der Mehrzweckhalle zu ihren Ehrenplätzen am Spielfeldrand. Ihre Sitzreihen sind mit Attachékoffern drapiert. Der Kräuterspirituosen- Marsch ertönt zu Ehren der männlichen Finalisten: Komm doch mit auf das Badminton, komm doch.

Es treten an: der Favorit gegen den Überraschungsfinalisten. Der Favorit ist Berufssoldat, Michael Keck heißt er. Im vorigen Jahr hat er den Mixedtitel gewonnen. Genauer: ganz allein gewonnen.

Denn in der noch heilen Welt des Badminton „kommt beim gemischten Doppel dem ohne Zweifel körperlich überlegenen Herren die schwierige Aufgabe zu, die Schwächen seiner Mitspielerin durch eigenen Einsatz zu decken“, wie das Programmheft zu sülzen beliebt.

Im Einzelfinale ist Michael Keck noch alleiner als im Vorjahrsmixed. Und prompt gibt's eine Packung. Sein Gegner Henning Sudfeld kommt langsam, aber gewaltig. Sudfeld liegt im ersten Satz zunächst mit fünf Punkten zurück, bei „sieben beide“ ringen beide viermal ums Aufschlagrecht, danach geht's Schlag auf Schlag ab zum 15:8-Satzgewinn für Sudfeld. In der Satzpause führt der Soldat sich Isotonisches zu, während der Überraschungsfinalist sich seine Nickelbrille putzt.

Im zweiten Satz haben den Soldaten die Selbstzweifel gepackt: „Bin ich eigentlich doof, oder was“, hört man ihn die Contenance verlieren. Auch diverse Hechtsprünge verhelfen ihm nicht zum Satzgewinn, mit 12:15 verliert er den zweiten Satz. Und damit das Spiel.

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