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Im Rausch der Sinnen

Hella von Sinnens Frauenmagazin „Weiber von Sinnen“ in bewährter RTL-Qualität um 22.40 Uhr  ■ Von Reinhard Lüken

Wo alle Sendeanstalten sich in diesen Tagen ebenso pietätvoll wie heuchlerisch in karnevalistischer Abstinenz (als wäre die Ausstrahlung militärischer Propagandafilme weniger zynisch als die Übertragung des kalendarisch verordneten Frohsinns), schickt RTLplus am Vorabend der Weiberfastnacht erstmals ihre Schrillität, Prinzessin Hella die Erste, mit ihrem neuen „Weibermagazin“ ins Rennen.

Fortan darf die zur nationalen Ulknudel fürs Deftige avancierte Moderatorin allmonatlich eine halbe Stunde lang präsentieren, was sie für „Frauenthemen“ und ihre ureigenste Sicht der Dinge hält. Und da Frau von Sinnen im Vorfeld keine Gelegenheit ausgelassen hat, Ungeheuerliches in Aussicht zu stellen, dürften nicht wenige ZuschauerInnen ihrer ARD-Kollegin Sabine Christiansen und den Tagesthemen heute abend nach zehn Minuten per Knopfdruck die Gefolgschaft aufkündigen.

Und wahrlich, Hella hat nicht zu viel versprochen. Da parliert eine leibhaftige deutsche Ministerin, Eva Rühmkorf, liiert mit Peter, dem Dichter, über Seitensprünge und spricht dabei nicht etwa von (außer-) ehelicher Beiwohnung, sondern schlicht vom „Bumsen“. Und Hertha Däubler-Gmelin wird zwar nicht gleich zur Cicciolina des Wasserwerkes, läßt sich aber das Geständnis entlocken, daß sie Streicheleinheiten bisweilen durchaus aufgeschlossen gegenübersteht. (Wer hätte das gedacht?!)

Auf den Höhepunkt muß Frau jedoch bis 23 Uhr warten. Erst dann wird ihr präsentiert, worauf sie ein Recht hat, das ihr die Öffentlich- Rechtlichen hartnäckig vorenthalten und auch die Privaten bislang nur in unakzeptabler Form zugestehen: der nackte Schwanz auf der Mattscheibe! Und das nicht mal eben mit der Kamera vorbeigehuscht, sondern in Großaufnahme. Aber wie er da so am knackigen Köprer baumelt, ist weder erotisch noch geil. Damit es wenigstens lustig wird, hängt man ihn an eine Angelschnur, an der er sich dann willig emporziehen läßt. (Oder sollte sich diese Dramturgie etwa einer tiefsinnigen Marionetten- Metaphorik verdanken?).

Warum man sich mit einem No- name-Exemplar zufrieden gibt anstatt sich auch hier in der SPD-Prominentenriege um einen Kandidaten zu bemühen, bleibt rätselhaft. Möglich, daß Oskar, bei aller Aufgeschlossenheit, abgewunken hat und man den prüden Hans-Jochen erst gar nicht fragen mochte, aber der „Schniedelwutz“ (von Sinnen) irgendeines fortschrittlichen Hinterbänklers hätte sich doch finden lassen müssen.

Während ARD und ZDF sich unablässig mühen, auch das seichteste Entertainement noch als „Kultur“ zu verkaufen, liegt die sympathische Qualität von RTLplus seit jeher in der ungeschminkten Offenheit, mit der man sich zum galoppierenden Schwachsinn bekennt. Ein virtuos simples Konzept des Heiterkeitsterrors, dem selbst Lockerheits- Profi Thomas Gottschalk nicht gewachsen ist, Hella von Sinnen jedoch an der Seite von Hugo-Tutti-Egon- Frutti-Balder regelmäßig Glanzlichter verleiht. Daß es nicht unbedingt ihr Ding sei, sich von begeisterten Studiogästen am Ende die Torten ins Gesicht klatschen zu lassen, hat sie des öfteren verlauten lassen. Man mag es ihr glauben. (Bliebe die Frage, warum sie es dann macht?)

Wenn man ihr seitens des Senders nun die Chance gibt, ein „eigenes“ Frauenmagazin zu machen, dann sicherlich nicht in der Erwartung, daß Frau von Sinnen ihrem selbstverliehenen Adelstitel (dem „witzigsten“ Pseudonym seit Roy Black) plötzlich Ehre machen und wirklich Provokantes jenseits der hauseigenen Norm, der Mischung aus Unkonventionalität und Biedermeier, abliefern könnte.

Und Hella hält sich peinlichst an diese Norm. Während die Regenbogenpresse uns nur darüber informiert, wer es bei Adels und sonstigen Promis gerade mit wem treibt, verheißt der Enthüllungsjournalismus von Sinnenscher Prägung endlich auch Auskunft über das „Wie“. Aus Sicht der Frau(en) und immer lustbetont, versteht sich. Themen, denen auch männliche Zuschauer ehrliches Interesse entgegenbringen dürften. Und wenn Hella sich von Kiez-Star Domenica, neuerdings als Streetworkerin auf der Gehaltsliste der Hansestadt, hinter die Kulissen der Hamburger Herbertstraße führen läßt, werden Schniedelwutzträger auch nicht gleich wieder zu den Tagesthemen wechseln. Zwischendurch immer wieder ein verbaler „Tabubrecher“, eine schlagfertige Unflätigkeit oder eine ungehörige Grimasse. Aber: Bloß nicht in Tiefsinn und Nachdenklichkeit verfallen.

Auch wenn man ihr mit Gisela Marx eine altgediente TV-Journalistin als Produzentin zur Seite gestellt hat, mit einer Konzeption à la Mona Lisa, das sich im Laufe der Jahre vom Damenkränzchen mit Diät- und Modetips zum respektablen Magazin gemausert hat, hat Hella nichts im Sinn. So demonstriert die radikale Feministin und bekennende Lesbe in Weiber von Sinnen in erster Linie ihren penetranten Hang zur Selbstinszenierung. Frauenpower hat radikal zu sein. Vor allem radikal lustig. Und während sie sich ihrer „Freiheit als Lesbe im Show-Geschäft“ rühmt, dürften sich die (männlichen) RTL- Oberen die Hände reiben, daß nun auch noch die bigotte „Krebshilfe“ ihrem exotischen Knallbonbon zu höheren Einschaltquoten verhilft.

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