: Gen-Forschung: Marburg-Virus und Q-Fieber
Marburger Bürgerinitiative verdächtigt zwei mittelhessische Universitätsinstitute, in der B-Waffenforschung mitzumischen ■ Von Franz-Josef Hanke
Die Marburger Bürgerinitiative Fra- Gen beschuldigt zwei mittelhessische Universitätsinstitute, in die Erforschung von Waffen aus dem Gen- Labor verstrickt zu sein. Die Mitglieder wurden darauf aufmerksam als das Institut für Virologie der Philipps Universität Ende 1989 in der Marburger Innenstadt ein Hochsicherheitslabor der Stufe L3 bezog, um am Marburg-Virus zu forschen.
Entdeckt wurde dieser Virus 1967 in Marburg, als die Behring-Werke eine Lieferung grüner Meerkatzen erhielten, die von diesem Erreger befallen waren. Zwölf Menschen starben damals nach Kontakt mit dem Affenblut oder Mitarbeitern des Pharma-Unternehmens an hämarogischem Fieber, das neben hoher Körpertemperatur auch zu inneren Blutungen führt. 32 Menschen mußten in Quarantäne abwarten, bis ortsansässige Ärzte unter Leitung von Professor Slenczka das Virus isolierten, das — ebenso wie die neuartige Krankheit — nach der Stadt des erstmaligen Auftretens benannt wurde.
Seit 1967 sind weltweit 37 weitere Fälle der Marburg-Krankheit aufgetreten, die mehr als zwei Drittel der Patienten dank medizinischer Behandlung überlebten. Wegen seiner außerordentlichen Seltenheit hat der Marburg-Virus auch kaum medizinische Bedeutung.
Mitgebracht hatte ihn Projektleiter Heinz Feldmann von einem Forschungsaufenthalt beim „Center for Infectious Disease Control“ (CDC) im nordamerikanischen Atlanta. Dort forscht Tony Sanchez im Auftrag des „US-Army Medical Research Institut for Infectious Diseases“ (USAMRIID) am Marburg- Virus. Dieser seltene Krankheitserreger steht seit 1981 auf der Liste der militärischen Gen-Forschungsprojekte des Pentagon. Feldmann, Sanchez und eine weitere Arbeitsgruppe im USAMRIID selbst sind weltweit die einzigen, die am Marburg-Virus forschen. Doch während Sanchez sich in seinen Veröffentlichungen beim USAMRIID für die freundliche Unterstützung bedankte, erhalten die Marburger Virologen ihr Geld von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Gelder aus dem Verteidigungsministerium
Franz-Josef Ferdinand von der DFG hält die Forschung am Marburg-Virus für ein hochinteressantes Projekt: „Es dreht sich dabei um ein wissenschaftliches Projekt. Der Marburg-Virus kann durchaus tödlich wirken. Doch tötet dieser Krankheitserreger nur Menschen. Professor Slenczka hat damals in Marburg das Virus entdeckt. Es liegt nun nahe, für dessen Erforschung auf sein Wissen zurückzugreifen. Eines der Ziele des Marburger Forschungsprojekts besteht darin, herauszubekommen, warum der Marburg-Virus zwar für den Menschen tödlich ist, nicht aber für Affen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert nur Projekte, die öffentlich sind. Wir legen großen Wert darauf, daß alle Ergebnisse veröffentlicht werden. Wenn das nicht möglich ist, verlangen wir einen ausführlichen Bericht über die Verwendung der Forschungsergebnisse. Daß Professor Klenk Waffenforschung betreibt, halte ich für ausgeschlossen. Doch kann man meines Erachtens niemals verhindern, daß Leute Forschungsergebnisse, wenn sie das wollen, auch für militärische Zwecke mißbrauchen.“ Die Marburger Wissenschaftler scheint jedoch nicht zu interessieren, woher Kollegen vom CDC in Atlanta ihr Geld beziehen.
Klenk war vorher beim Institut für Hygiene und Infektionskrankheiten der Tiere der Justus-Liebig-Universität Gießen. Dort arbeitet Professor Hartmut Krauss seit 1972 mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Verteidigung. Krauss rechtfertigt diese Gelder mit der knappen Finanzlage der Universität: „Wenn ich als Wissenschaftler vernünftige Arbeit leisten will, muß ich sehen, wo ich meine Mittel herbekomme. Sollte ich da auf die Gelder des Verteidigungsministeriums verzichten? Deswegen betreibe ich noch lange keine Forschung an Waffen! Dank dieses Geldes habe ich zahlreichen Doktoranden eine gute Ausbildung gewähren können. Den Vorwurf einer militärischen Forschung weise ich zurück. Ich beschäftige mich mit der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Q-Fieber. Das Bakterium Coxiella ist ein weitverbreiteter Krankheitserreger. Ein Drittel der bundesdeutschen Rinderbestände sind davon befallen. Es handelt sich hier also um nichts Außergewöhnliches. Außerdem sind alle meine Forschungsergebnisse öffentlich. Ich würde genau dasselbe tun, wenn ich die Mittel vom Verteidigungsministerium nicht erhielte.
„Schutzforschung“ zur Abwehr gegnerischer Bio-Waffen erlaubt
Das Q-Fieber ist eine weltweit verbreitete grippeähnliche Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Coxiella verursacht wird. Dieses Bakterium kann von seinen Wirten — vor allem Zecken, Vögel, Nager und Wild — aerogen, also auch ohne direkten Kontakt, auf Rinder und Menschen übertragen werden. Im Jahr erkranken in der Bundesrepublik zwischen 20 und 100 Menschen am Q-Fieber.
Am selben Institut forscht Professor Georg Baljer im Auftrag des Verteidigungsministeriums an einem Impfstoff gegen Gasbrand. Auch er begründet seine Forschung ähnlich wie Krauss.
Nach den 1972 abgeschlossenen internationalen B-Waffen-Schutzabkommen ist die Herstellung und Lagerung biologischer Waffen zwar verboten, doch dürfen die Unterzeichnerstaaten sog. „Schutzforschung“ zur Abwehr gegegnerischer Bio-Waffen betreiben. Im Herbst soll über ein Folgeabkommen verhandelt werden, aber es ist fraglich, ob eine Ächtung biologischer Kampfstoffe im Zeitalter der Gentechnik, wo Viren und Bakterien in ihre einzelnen Bausteine zerschnitten und diese Gene dann zu zielgenauen Waffen zusammenkonstruiert werden können, überhaupt noch gelingen kann. Durch die Gentechnik sind Viren und Bakterien interessante Waffen für die Militärs geworden. Biologische Kampfstoffe sind eine „Neutronenbombe für Arme“!
Zahlreiche bundesdeutsche Gen- Forscher haben auf Anregung des Münchner Professors Ernst-Ludwig Winnacker vor Jahresfrist im Vorfeld der Bundestagsdebatte um das Gentechnik-Gesetz feierlich gelobt: „Wir, die Unterzeichner stellen uns gegen den Einsatz der Biologie für militärische Zwecke. Gegenwärtig sind wir besonders besorgt darüber, daß neue Biotechnologien dazu eingesetzt werden könnten, neue biologische und chemische Waffensysteme zu entwickeln. Deshalb fordern wir die Wissenschaftler der ganzen Welt auf, sich nicht an Forschungsprojekten, die mit der Entwicklung und Herstellung biologischer Waffen verbunden sind, zu beteiligen.“
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