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Fischer will Alleinherrscher werden

Auf dem bundesweiten Realo-Treffen der Grünen machte Joschka Fischer Ansprüche auf das Amt des Parteivorsitzenden geltend/ Antje Vollmer verzichtet auf Kandidatur/ Quotierung über Umwege  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Der Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen in Hessen und voraussichtliche Minister Joschka Fischer will für den Parteivorsitz kandidieren. Auf einem bundesweiten Treffen der realpolitischen Kräfte am vergangenen Sonntag in Frankfurt trat Fischer zugleich dafür ein, die Partei künftig statt bislang von drei gleichberechtigten Sprechern nur noch von einem Vorsitzenden zu führen. Die in der Satzung vorgeschriebene Quotierung in der Parteispitze will Fischer auf Umwegen durch die Einbeziehung des Generalsekretärs als zweitwichtigsten Posten erreichen: Werde er Vorsitzender, müsse der von ihm zu berufende Generalsekretär eine Frau sein. Damit erteilte Fischer Plänen eine Abfuhr, den Ex- Bundestagsabgeordneten und Fischer-Freund Hubert Kleinert zum Generalsekretär zu machen.

Auf dem nichtöffentlichen Treffen kündigte die „Aufbruch“-Sprecherin Antje Vollmer zugleich an, sie werde auf dem „Erneuerungs“-Parteitag Ende April nicht für den Parteivorsitz antreten. Sie führte für ihren Rückzug die gehässige und persönlich verletztende Behandlung ihrer Person durch die Partei an. Frau Vollmer hatte nach der verlorenen Bundestagswahl gemeinsam mit Fischer eine radikale Reform und die Straffung des Führungsgremiums auf zwei Vorsitzende gefordert. Letzteres schlägt inzwischen auch der amtierenden Parteivorstand vor. Inwieweit Vollmers Ankündigung eine taktische Reaktion auf Fischers Pläne sind, blieb offen.

Auf dem Realo-Treffen, bei dem die Linie für den Erneuerungsparteitag besprochen werden sollte, stand die Personalfrage im Mittelpunkt. Daneben verständigten sich die Vertreter aus allen Bundesländern auch auf Strukturreformen. Die Partei müsse „den Mut haben, aktiv zu fördern, daß unsere Politik mit Personen identifiziert wird“, wird als ein Leitgedanke formuliert. Die Rotation soll als „überholt“ völlig abgeschafft werden. Gleiches gilt auch für die geltende Trennung von Parteiamt und parlamentarischem Mandat. Auf örtlicher Ebene sei diese angesichts der Personalknappheit und Mandatsfülle bereits jetzt eine „Lebenslüge“. „Allein durch personelle Überschneidungen [...] lassen sich die verschiedenen Handlungsebenen der Partei effektiv verzahnen“, heißt es in einer Vorlage. Es sei außerdem ein Akt der Basisdemokratie, die Delegierten bei der Wahl in Parteiämter „frei und ohne formale Einengung“ entscheiden zu lassen.

Neu eingerichtet werden soll ein Parteirat anstelle des bisherigen Bundeshauptausschusses. Ihm sollen Mitglieder des Bundesvorstands, je ein Mitglied der Landesvorstände, der Landtagsfraktionen und des Bundestages und sechzehn vom Parteitag zu wählende Mitglieder angehören. In der Debatte wurden allerdings Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des mehr als 50 Personen starken Gremiums laut. In die Satzung neu aufgenommen werden soll die Möglichkeit einer Urabstimmung, die seit langem vom „Aufbruch“ verfochten wird. Entgegen dem Alleinvertretungsanspruch Fischers ist im Strukturpapier, welches bei einem weiteren Treffen Anfang März verabschiedet werden soll, noch von zwei Parteivorsitzenden die Rede.

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