Anwalt: Verweigerer werden schikaniert

Bremen (taz) — 15 der insgesamt 50 Kriegsdienstverweigerer des Bremervörder Flugabwehrraketengeschwaders 36, verladen zur Zeit auf dem Kölner Flughafen militärisches Material in Flugzeuge, die in Kürze nach Israel starten werden. Das teilte gestern früh einer von ihnen seinem Rechtsanwalt Günter Werner telefonisch mit. Das Bremervörder Geschwader soll zum Teil bereits noch in dieser Woche in die Türkei verlegt werden.

Kurz nachdem die Verweigerungsanträge abgegeben waren, erhielten die Wehrpflichtigen die Nachricht, an ihrem Standort gebe es keine Möglichkeit, sie ohne Waffendienst zu beschäftigen.

Auf dem Kölner Flughafen, so hatte Oberst Baron von Hoyer-Boot noch am Montag abend auf einer Pressekonferenz in der Bremervörder Kaserne versichert, würden die Soldaten lediglich zur Verladung von im Zusammenhang mit der Hilfsaktion für das größte Mitglied der Sowjetunion „Rußlandpäckchen“ eingesetzt. Andere sollen in Nachbardepots versetzt werden, um zum Beispiel Kraftfahrzeuge auf die bevorstehende TÜV-Untersuchung vorzubereiten.

„Für mich ist das eindeutig Schikane“, sagt Anwalt Werner, „man wollte die Verweigerer wegbringen, um sie von ihrem Rechtsbeistand zu trennen und um zu verhindern, daß ihr Beispiel Schule macht.“ Das Argument, es gebe nicht genügend Möglichkeiten vor Ort, die Soldaten einzusetzen, hält er für vorgeschoben.

„Es gibt dort seit Jahren Leute, die sozusagen Gammeldienst machen, und auf einmal geht das nicht mehr.“ Durch die Versetzung seiner Klienten ist seine Arbeit nunmehr praktisch blockiert. „In der nächsten Woche gibt es bereits die ersten Termine, und ich weiß überhaupt nicht, wie ich mich mit meinen Mandanten vorbereiten soll“, sagt er.

Oberst Hoyer-Boot gibt sich unterdessen gelassen. „Ich meine nicht, daß die Zahl der Kriegsdienstverweigerer etwas über die Stimmung im Geschwader aussagt.“ Viele Soldaten hätten sich überzeugen lassen, daß dies ein notwendiger Einsatz sei, und „werden dort ihre Pflicht erfüllen“.

Außerdem hoffe er, daß unter den Verweigerern keiner dabei sei, der sich aus Angst so entschieden hätte. Er habe den Soldaten erklärt, daß es nicht in den Krieg ginge, sondern wie in Israel das Ausweiten des Krieges verhindert werden solle.

Unter dem Eindruck des Golfkrieges ist die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in Deutschland im Januar auf rund 14.000 angestiegen. Das erfuhr 'dpa‘ am Dienstag aus Bonner Militärkreisen. Die Bundeswehr sei „sehr beunruhigt“, hieß es. 1990 hatten insgesamt 74.569 junge Männer den Wehrdienst verweigert. Birgit Ziegenhagen