: Saudis warten auf den Ölteppich
■ Zum Schutz der Trinkwasseranlagen vor der Ölpest ist international hektische Betriebsamkeit ausgebrochen/ Keine Hilfe für Flora und Fauna
Berlin (ap/dpa/taz) — Während sich Saudi-Arabien auf den Ernstfall vorbereitet, wollen UNO-Experten in Genf erstmal ihre Informationslücken schließen. Die Rede ist vom größten Ölteppich aller Zeiten, der voraussichtlich noch in dieser Woche vor der großen Seewasserentsalzungsanlage in Dschubail eintreffen wird. Nach dem Ausfall dieser Anlage müßte in dem Königreich das Trinkwasser rationiert werden. In Genf beraten Experten verschiedener UNO-Gremien unter Federführung der UN-Umweltschutzorganisation UNEP, deren Vertreter gestern zu Beginn der „Dringlichkeitssitzung“ den „Mangel an verläßlichen Informationen“ über die Ölpest und andere ökologische Konsequenzen des Golfkriegs beklagte. An dem Treffen nehmen auch Vertreter der Ölindustrie teil.
Der zähe Schlick im Meer, der zuletzt rund 130 Kilometer nördlich von Dschubail dümpelte, wurde zu Wochenbeginn von stürmischen Winden nach Süden getrieben. Nach inzwischen einheitlichen Angaben sind seit dem 20. Januar rund elf Millionen Barrel oder 1,7 Milliarden Liter Rohöl ins Meer gelaufen, der größte Teil aus der kuwaitischen Ölverladestation Sea Island. Saudi- Arabien bezieht zwei Drittel seines Trinkwassers aus dem Meer. Die Hälfte davon wird in Dschubail aufbereitet. Sollte der Schutz der Anlage mißlingen, müßte die Anlage geschlossen werden.
Inzwischen haben Arbeiter damit begonnen, einen Riegel aus Ölbarrieren, Absauggeräten, Ableitungen und Filtern um die Lagune zu legen, aus der das Wasser in die Entsalzungsanlage gepumpt wird. Aus Japan trafen gestern die ersten fünf Kilometer eines insgesamt 30 Kilometer langen „Zauns“ ein, der einen Teil der Küste an der saudiarabischen Ostprovinz schützen soll. Neben Japan haben inzwischen auch die USA, Großbritannien, Frankreich, Südkorea, Schweden, Norwegen und Deutschland Gerät und Experten zur Bekämpfung der mutwillig ausgelösten Ölkatastrophe an den Golf geschickt.
Saudische Experten glauben nach wie vor, die Trinkwasseranlagen erfolgreich abschirmen zu können, während westliche Experten die Situation mit großer Skepsis beobachten. Die inzwischen gallertartige Masse von bis zu 60 Zentimeter Dicke könne je nach Wind- und Gezeitenverhältnissen über die Barrieren schlagen oder sie unterwandern. Es gebe zwar Chancen für eine erfolgreiche Abwehr des Öls, meinte etwa Paul Milligan, ein Experte der US-amerikanischen Küstenwache, aber eben keine Sicherheit.
Trotz aller Bemühungen gibt es offenbar weiter keinerlei Schutz für die betroffene Tier- und Pflanzenwelt im Persischen Golf. „Kein Staat der Welt kann allein mit einem Ölteppich dieser Größe fertig werden“, sagte ein Sprecher der saudiarabischen Wetter- und Umweltschutzbehörde. Ökologen aus anderen Ländern beobachten mit zunehmendem Mißmut, daß die Saudis offenbar ausschließlich auf den Schutz ihrer Trinkwasseranlagen setzen. Möglicherweise als Reaktion darauf kündigte Prinz Abdallah Ibn Feisal el Saud zu Wochenbeginn die Errichtung eines Zentrums zur Rettung von Tieren an, die Opfer der Ölpest wurden. Der Ölteppich könne den gesamten Bestand an Meeresschildkröten und Seekühen vernichten. Schwer betroffen sei auch die Fischereiwirtschaft am Golf.
Erfahrungen einer ebenfalls verheerenden Ölpest im irakisch-iranischen Krieg in den Jahren 1983/84 lassen befürchten, daß das ölverseuchte Wasser sich relativ rasch über die Golfregion hinaus ausbreitet und bis an die Küsten Ostafrikas und Indonesiens treibt. Das geht aus dem Bericht einer wissenschaftlichen Konferenz hervor, die 1984 in Teheran stattfand. Insbesondere an der saudischen Küste gelangen danach wasserlösliche Ölbestandteile in tiefere Schichten und werden von dort durch die Süßwasserzuflüsse im Norden (Tigris und Euphrat) in Richtung Straße von Hormus getrieben. Schließlich gelangen sie auf diesem Wege in den Indischen Ozean. Nach diesem Bericht erneuert sich das Wasser des Golfs trotz der schmalen Verbindung zu den Weltmeeren alle zwei bis fünf Jahre vollständig. gero
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