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Der Trick mit der Knick-Hüfte

■ Das deutsche Tischtennisteam besiegte Weltmeister Schweden im Finalhinspiel der Europaliga 4:3

Berlin (dpa/taz) — Eigentlich müßten die Funktionäre des Deutschen Tischtennis-Bundes dreimal täglich ihr Haupt gen Himmel erheben und demütig ihrem Schicksal danken, welches ihnen Jörg Roßkopf und dessen Wohn- und Tischgenossen Steffen Fetzner bescherte. Denn seit das freche Düsseldorfer Duo 1989 in Dortmund Doppel-Weltmeister wurde, ist das Spiel mit dem Zelluloidball zum Zuschauervergnügen und Medienereignis geworden.

Und der Höhenflug hält an: Erstmal steht die Nationalmannschaft nun vor dem Gesamtsieg in der Europaliga, nachdem sie am Dienstag im Hinspiel in Stockholm wider allen Erwartungen Welt- und Europameister Schweden überrumpelt hatte. Die nämlich hatten die Kräfte gänzlich fehl eingeschätzt, die Deutschen schmählich unterschätzt und leichtsinnigerweise auf Weltmeister Jan- Ove Waldner und Vizeweltmeister Jörgen Persson verzichtet. Den dreimaligen Europameister Mikael Appelgren setzten sie lediglich im Doppel und im Mixed ein, die er prompt beide verlor. Den das weltmeisterliche Doppel Roßkopf/Fetzner ließ sich die Butter nicht vom Schläger nehmen. Zwar gaben die beiden den ersten Satz mit 11:21 ab, dann jedoch machten sie ernst und holten die nächsten zwei souverän mit 21:11, 21:16. Im Mixed schien Jörg Roßkopf zunächst etwas verunsichert, daß neben ihm nicht wie gewohnt sein Freund „Speedy“, sondern Nicole Struse den Schläger schwang. 3:21 verloren sie den ersten Satz, bis Roßkopf beschloß, die Moral obsiegen zu lassen und sich mehr auf den Ball zu konzentrieren. 21:14 und 21:18 gewann das Paar knapp und glücklich gegen Appelgren und dessen Partnerin Marie Svensson.

Im Einzel zog der 21jährige Roßkopf alle Tricks aus der Tasche: Zunächst ließ er Peter Karlsson an seiner unnachahmlichen Rückhand verzweifeln, um anschließend Erik Lindh seine zum Markenzeichen gewordene Hüft-Knick-Vorhand um die Ohren zu hauen. 21:19, 16:21, 21:15 besiegte Roßkopf den Olympiadritten. Und grinste sich eins, denn drei Tage vorher war er beim Europa-Top-12-Turnier in Holland dem späteren Sieger Lindh unterlegen gewesen. „So gut wie vor drei Tagen habe ich gar nicht gespielt“, fand Roßkopf bescheiden.

Ganz und gar grantig präsentierte sich Olga Nemes, während sie gegen Marie Svensson verlor. Grund und Opfer ihres Zorns war der finnischen Schiedsrichter. Wütend und geringschätzig stampfte sie angesichts seiner Entscheidungen auf den Boden, woraufhin sich der schwarzen Mann zu einer Strafaktion genötigt sah: Einen Punkt Abzug für die Weltranglisten-Zehnte, die voller Zorn mit 14:21 und 21:23 verlor. Auch Speedy Fetzner spielte spannend und schön, unterlag jedoch in beiden Einzeln. Doch hatte das deutsche Team — Roßkopf sei Dank — letztendlich und zum Kummer der 850 schwedischen Zuschauer mit 4:3 den Sieg in der Tasche.

„Jetzt freue ich mich auf das Rückspiel am 13. März in Hannover. Mit 3.000 oder 4.000 Zuschauer im Rücken läßt sich noch besser Spielen“, rührte Retter Roßkopf die Werbetrommel. Doch Cheftrainerin Eva Jeler warnt: „Wir müssen auf dem Boden bleiben. 4:3 ist eine gute Basis, aber kein komfortabler Vorsprung.“ Zumal die Schweden dann sicherlich ihre beurlaubten Weltmeister an die Platte stellen werden. miß

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