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SED-Kader halten Zapfhähne zu

■ Westliche Mineralölwirtschaft beklagt, daß sie erst 50 Tankstellen in den Ostländern bauen durfte

Hamburg (dpa) — In den fünf neuen Bundesländern geht es für die deutschen Ölkonzerne nicht voran — jedenfalls nicht so, wie sie es sich vor einem Jahr vorgestellt hatten. Noch nicht einmal 50 neue Stationen konnte die Mineralölwirtschaft bislang in der ehemaligen DDR errichten — gebraucht werden ungefähr 2.500 bis 3.000.

Alle Ölgesellschaften — auch die kleineren und Mittelständler — stehen mit vollen Taschen bereit und wollen Tankstellen bauen, geht es doch um die künftigen Marktanteile. Doch es hakt bei Grundstücken und Baugenehmigungen. In der Hamburger Bürostadt City Nord ist Ernüchterung eingekehrt. Vier große deutsche Mineralölkonzerne — Shell, BP, Esso und DEA — haben dort ihren Sitz, und sie alle plagt, ebenso wie Branchenprimus Aral in Bochum, das gleiche Problem.

„Die Kommunen wählen Standorte nach nicht nachvollziehbaren Kriterien aus und vergeben sie nach Gesichtspunkten, die nicht näher offengelegt werden“, klagte auch der Mineralölwirtschaftsverband. Vielfach seien die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken ebensowenig geklärt wie die Sanierung der Altlasten.

„Es ist grundsätzlich schwierig, zu vertraglichen Abmachungen zu kommen“, berichtet Shell-Sprecher Jörg W. Henschel. Bei Shell ist man dennoch recht zuversichtlich: Insgesamt bearbeiten dort die Manager für den Osten 85 Projekte; für elf Standorte liegen Baugenehmigungen vor, und vier Stationen sind im Bau. Zwei Tankstellen hat die Shell bereits, „aber wir hätten gerne mehr“. Ähnlich sieht es bei Esso aus, wo bis Jahresende fünf Stationen eingeweiht sein sollten und „mit knapper Mühe“, so Sprecher Alexander Geck, eine Doppeltankstelle an der Autobahn entstand. Aral und DEA, die mit dem ehemaligen Staatsbetrieb Minol zusammenarbeiten, werden zumindest im Straßenbild der ehemaligen DDR bald stärker vertreten sein.

Hinter den Kulissen kursieren bei den Firmen die abenteuerlichsten Geschichten über die Erfahrungen im „Wilden Osten“. Einige Sachbearbeiter in den Kommunen fordern einen Arbeitsplatz als Gegenleistung für eine Baugenehmigung, andere verweisen auf sehr teure externe Berater, die sich dann als alte SED-Kader entpuppen. „Es ist wirklich unfaßbar“, stöhnt ein Aral-Mann.

Die Branche hat nun einige Vorschläge gemacht, wie die Situation in ihrem Sinne möglichst bald verbessert werden kann: Die Kommunen im Osten sollten beschleunigt Bauleitpläne aufstellen und Flächen für Tankstellen ausweisen; wo ausgewiesene Flächen fehlen, wollen die Konzerne nach einem vereinfachten Verfahren selbst Flächen vorschlagen und bebauen. Denn schließlich gehe es doch um Investitionen von einigen Milliarden Mark.

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