Freilassung der Achille-Lauro-Piraten

■ Italiens Begnadigung der Abul-Abbas-Helfer erinnert an frühere Doppelspiele

Rom (taz) — Italien versucht's wieder einmal mit Schlitzohrigkeit: Während Tag für Tag Meldungen über „erfolgreiche Einsätze unserer Tornado-Staffel gegen den Irak“ bekanntgegeben werden, haben die Behörden klammheimlich längst gegenteilige Zeichen gesetzt: In aller Diskretion wurden die beiden Palästinenser freigelassen, die wegen Beihilfe zur Entführung des Luxusliners „Achille Lauro“ und zur Ermordung des amerikanisch-jüdischen Passagiers Leon Klinghoffer (Oktober 1985) rechtskräftig zu sechs bzw. sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden waren. Die erst jetzt bekanntgewordene Abschiebung von Mohammad Abbas — einem Vetter des damaligen Entführungschefs Abul Abbas — und Ahmad Yussuf ist bereits vor einigen Wochen erfolgt, wobei es über den genauen Zeitpunkt starke Widersprüche gibt: Nach der derzeit offiziellen Version sollen die beiden schon vierzehn Tage vor Ausbruch des Krieges nach Algerien abgeschoben worden sein; nach dortigen Angaben trafen sie jedoch erst kurz nach Kriegsbeginn dort ein.

Italien wiederholt damit das schon diverse Male erprobte Verfahren der Rückversicherung: 1974 zum Beispiel, als palästinensische Attentate in ganz Europa Angst verbreiteten, wurden drei PLO-Mitglieder ausgeflogen, die man bei der Vorbereitung eines Flugzeugattentates mit Hilfe einer Boden-Luft-Rakete am Flugplatz Fiumicino erwischt hatte. Nach der Achille- Lauro-Entführung riskierten der damalige Regierungschef Craxi und sein Außenminister Andreotti sogar eine schwere Vertrauenskrise mit den USA, weil sie den von US-Jägern auf Sizilien zur Landung gezwungenen Chefentführer Abul Abbas weiterfliegen ließen.

Das Verhalten der italienischen Behörden könnte sich allerdings wieder einmal als kurzsichtig erweisen: Kurz nachdem 1974 die Palästinenser ausgeflogen waren, stürzte die Transportmaschine ab, die drei Besatzungsmitglieder starben. Die bis heute nicht abgeschlossenen Ermittlungen über den Absturz ergaben starke Anhaltspunkte, daß das Flugzeug einem Attentat des israelischen Geheimdienstes zum Opfer gefallen ist — möglicherweise mit Hilfe einer innerhalb der geheimen NATO-Struktur „Gladio“ aufgebauten Seilschaft des Mossad. Ärger haben die der Regierungskoalition angehörenden israelophilen Republikaner angekündigt. Sie wollen wissen, wer für den „zynischen Akt“ der Entlassung verantwortlich ist. Werner Raith