: Kampf um Neutralität
Falls Israel in den Krieg eingreift und jordanischen Luftraum verletzt, „werden wir unsere Souveränität verteidigen“ ■ Aus Amman Mariam Tschahin
In Jordanien wächst die Angst vor einem Kriegseintritt Israels. Mitglieder der jordanischen Regierung gehen davon aus, daß Israel den jordanischen Luftraum für einen eventuellen Gegenschlag gegen die irakischen Raketenangriffe auf Israel benutzen wird. Das gilt hier schon beinahe als fait accompli.
Noch kurz vor Kriegsbeginn hatte König Hussein bei den gegen den Irak verbündeten Staaten „Verständnis“ dafür gefunden, daß Jordanien in diesem Konflikt unbedingte Neutralität wahren müsse. Man „versprach“ damals, erinnert sich ein hochrangiger Sprecher des Außenministeriums, Jordanien auf keinen Fall in den Konflikt hineinzuziehen. Jordanien beteiligt sich seither am Embargo gegen den Irak, „obwohl die jordanische Wirtschaft schon fast im Sterben liegt“, wie der Wirtschaftsberater der jordanischen Regierung, Jawad Anani, es ausdrückt.
Seit Kriegsausbruch hat sich die ohnehin prekäre Lage zwischen den Fronten aufs Äußerste verschärft. Zur Zeit ist Jordanien nurmehr auf der Basis einer UN-Sondergenehmigung in der Lage, Öl aus dem Irak zu importieren. Amman beschuldigt die USA, irakische Öltransporte nach Jordanien zu bombardieren.
„Wir werden unsere Souveränität verteidigen“, erklärte König Hussein bereits unzählige Male, doch vor einigen Tagen fügte er diesem Satz auf einer großen Pressekonferenz hinzu: „Unsere Mittel zur militärischen Verteidigung sind äußerst begrenzt. Jeder weiß, daß unsere Anti-Aircraft-Missiles nicht mobil sind. Und wir haben überhaupt keine Möglichkeit, unsere Bevölkerung gegen den Einsatz chemischer Kampfstoffe zu schützen.“
Zu den militärischen Problemen kommen die politischen: Seit Ausbruch der Golfkrise haben die Jordanier keinen Hehl aus ihren politischen Sympathien für den Irak gemacht. Der Angriff der multinationalen Streitkräfte auf den Irak hat die Jordanier in ihrer Parteinahme weiter bestärkt. „Ich weiß nicht, wie die jordanische Bevölkerung reagieren wird, wenn die Israelis den Irak unter Benutzung unseres Luftraumes angreifen sollten“, erklärte das baathistische Mitglied des jordanischen Parlaments, Husni Shiab. Auch andere Mitglieder des Parlaments haben wiederholt vor politischen Unruhen in Jordanien gewarnt, falls Israel die Neutralität des jordanischen Luftraumes verletzte, um „ein arabisches Brudervolk“ anzugreifen.
Ein Großteil der Jordanier sind palästinensischer Abstammung. Sie mußten 1948 und 1967 vor der israelischen Armee flüchten und wurden von Jordanien aufgenommen. Jetzt befürchtet man hier eine Wiederholung dieser Erfahrung: Denn in der benachbarten, israelisch besetzten Westbank leben noch über eine Million Palästinenser. In Jordanien befürchtet man, daß auch sie im Falle eines israelischen Kriegeintrittes nach Jordanien vertrieben werden.
Ein politischer Beobachter, der anonym bleiben wollte: „Sollten die Israelis eine Verteidigung des jordanischen Luftraumes gegen die Nutzung durch israelisches Militär als Kriegserklärung betrachten, dann ist es sehr wahrscheinlich, daß viele, vielleicht Hunderttausende von Palästinensern aus der Westbank verjagt werden. Das ist Jordaniens größter Alptraum. Weder die Jordanier noch die Palästinenser sind bereit zu akzeptieren, daß am Ende Jordanien zum ,Palästina-Staat‘ gemacht wird, und schon allein deshalb werden sich die Jordanier nicht in diesen Konflikt hineinziehen lassen.“
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