: Same Old Story oder Mach's gut Nachbar
■ Das New York Jazz Quartett, die Hausband im Lohmeyer's
Was für andere Musik ist, zum Drüberschwätzen oder Zuhören, ist für den anderen Krach, Ruhestörung. Und weil es immer den anderen, den Nachbarn gibt, muß auch das Lohmeyer's in Charlottenburg noch mit einer nur vorübergehenden Genehmigung für Livemusik vorliebnehmen. Ende Februar soll entschieden werden, ob es weitergeht.
Dabei zeichnet sich der Laden nicht durch spektakuläre oder gar laute Musik aus. Hier trifft man sich vielmehr zum gepflegten Jazz. Plus-minus Bebop ist das Programm. Vom Barpiano über Bluesorientiertes bis zum klassischen Quartett. Letzteres gibt es an fast jedem Wochenende.
Das New York Jazz Quartett ist so etwas wie die Hausband im Lohmeyer's. Ab und zu gibt es einen »special guest«, und sonst spielt das Quartett um den Pianisten Reggie Moore »standard stuff«, mal mehr oder auch weniger arrangiert. Piano oder Gitarre geben das Thema vor, und dann darf jeder mal improvisieren.
Die Versionen bekannter Stücke wie »Autumn Leaves« oder »Moanin'« sind nicht gerade revolutionär — eine gewisse Routine ist nicht zu überhören. Aber trotz regelmäßiger Auftritte haben sich die Musiker die Spielfreude bewahrt. Wer einmal in einer Hotelbar die bekannte Nummer »Wie spielt man einen Evergreen, ohne daß es irgendjemand stört« über sich hat ergehen lassen, kennt den Unterschied. Die Intensität, mit der das New York Jazz Quartett das Schema ausfüllt, reicht von Gelassenheit bis zum Engagement. Wenn das Publikum es mehr mit dem Schwätzen hält, kann es passieren, daß der Schlagzeuger aufhört und an die Bar geht. Für den Hintergrund ist die Musik wirklich zu schade.
Während Ralph van Duncan mit seinem akzentuierten Beat — seine Vorliebe gilt mehr der Snaredrum als dem Becken — die extrovertierte Variante des Jazzmusikers darstellt, traktiert Reggie Moore den Flügel ohne äußerliche Anteilnahme. Die Augen hinter dicken Gläsern halb geschlossen, Kaugummi kauend, scheint ihn nichts so zu interessieren wie die Wand an seiner Seite. Auf den Tasten pflegt er einen gemischten Pianostil, vom trockenen Hardbop bis zu romantischen Phrasen à la Bill Evans.
In New York ist es ihm zu voll gewesen. Zuviele Musiker und zuwenige Auftrittsmöglichkeiten. Vor ein paar Jahren ist Reggie Moore mit einer Off-Broadway-Produktion nach Berlin gekommen und nach dem Gastspiel im Theater des Westens ist er dageblieben. Zusammen mit Ralph van Duncan gründete er das New York Jazz Quartett. Zur festen Besetzung gehören mittlerweile noch der Gitarrist Rudy Stevenson und der Bassist Dima Kolesnik.
Obwohl die Jazzszene seit Mitte der 80er Jahre eine gewisse Renaissance erlebte — neben Flöz und Quasimodo versuchten sich auch andere wie Zeleste, Blue Note und Schriller mit Livejazz, Bebop war hip — zeigten sich mit dem Entstehen zugleich die Schwierigkeiten. Das Geschäft war auf die Dauer nicht so einträglich wie erwartet (Zeleste, Blue Note), und was für den einen Musik, ist für den anderen meist Ruhestörung. Das Schriller mußte wegen Klagen über andauernde Lärmbelästigung schließen. Davon waren vor allem die Musiker des New York Jazz Quartett betroffen, die hier in wechselnder Besetzung fast täglich gespielt hatten.
Seit Mai 1989 haben sie im Lohmeyer's ein neues Domizil gefunden. Zuvor hatten sich hier, zwischen Spree und Charlottenburger Rathaus, diverse Restaurants vergeblich um Kundschaft bemüht. Das Konzept eines Jazzclubs, in dem es von Montag bis Samstag hauptsächlich Bebop und Artverwandtes zu hören gibt, hat sich aber, laut Geschäftsführerin Sybille Adler, bewährt.
Die Einrichtung ist vielleicht etwas hausbacken und die Atmosphäre gemütlich, aber die Freunde traditioneller Jazzmusik kommen auf ihre Kosten, nicht zuletzt weil das Lohmeyer's einen gestimmten kleinen Flügel sein eigen nennt. Sensible Ohren, die sich noch an das abgenudelte Barpiano im Schriller erinnern, wissen das zu schätzen.
Das Publikum bewegt sich zwischen Weizenbier und Wodka Lime. Dazu gehört der vollbärtige Enddreißiger, der hinter seinem leeren Glas einzunicken droht, genauso wie die Teenagerclique oder der einsame Nachtschwärmer an der Bar.
Rudy Stevenson, der Gitarrist des New York Jazz Quartetts, fungiert im Lohmeyer's als Programmchef. Dank seiner Verbindungen zur New Yorker Jazzszene haben auch schon bekanntere Größen wie Cecil Bridgewater und Sheila Jordan den Weg in die Charlottenburger Provinz gefunden. Da das Geld für solche Importe knapp ist — der Club faßt 80 Personen, die Musiker begnügen sich mit dem Eintrittsgeld — gibt es Pläne, sich vor allem mit Jazzclubs im Ostteil der Stadt zusammenzutun, um sich z.B. die Reisekosten für auswärtige Musiker zu teilen.
Doch das ist, und damit schließt sich der Kreis, Zukunftsmusik. Noch ist unklar, ob dem Lohmeyer's das gleiche frühzeitige Ende beschieden ist, wie z.B. dem Schriller. Die lieben Nachbarn, denen schon der Kinderladen ein Dorn im Auge ist, beschweren sich über den Lärm. Und weil die Lautstärke der Musik die Vorschriften nicht übersteigt, versuchen sie es mit dem beliebten Straßenlärm-der-Gäste-Argument. Bis Ende Februar sollen diese Vorwürfe geprüft werden, und bis dahin ist das Lohmeyer's im Besitz einer vorläufigen Genehmigung.
Reggie Moore kann sich noch gut an den Fall Schriller erinnern: Nachdem der Laden zugemacht hatte, zog auch der Nachbar, der die Klage wegen Lärmbelästigung geführt hatte, aus. Was dem einen die Musik, bla bla... Andreas Kirchhoff
Das New York Jazz Quartett spielt fast jeden Freitag und Samstag, so auch dieses Wochenende, ab 22.30 Uhr im Lohmeyer's in der Eosanderstr.24
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