: Waffen als »Fortsetzung der Natur«
■ »Zuviel gekriegt« — eine Podiumsdiskussion über Öffentlichkeit und Erfahrung des Krieges in der TU
Nicht so sehr, um die »Sterilität der Kriegsbilder« zu beklagen, sondern um den Krieg »als Ernstfall für die Funktionsweise einer medialen Öffentlichkeit zu thematisieren«, hatte das Alexander-Kluge-Projekttutorium und der AStA der TU zu einer Podiumsdiskussion mit den Kulturwissenschaftlern Norbert Bolz, Sigrid Schade, Gerburg Treusch-Dieter sowie dem Filmemacher Haroun Farocki eingeladen.
Gleich zu Anfang stellte der Berliner Medientheoretiker Norbert Bolz klar, daß man »weiterkommen wolle als der Stammtisch«. Also blieb man am Stammtisch, nur ein wenig länger, könnte man folgern und mit vermeintlich klügeren Köpfen. Doch an diesem Stammtisch hatte man oder eben Bolz, nicht begriffen, daß die Kriegs-/Medientheorien von Virilio und anderen längst am Nebentisch und als Allgemeingut angekommen sind, daß die Diskreditierung der »Betroffenheit« — damit meint man Emotionalität — längst jenseits »out« und »in« der Trendmacher ist, und daß Bonmots darüber, daß es keinen Unterschied mehr gäbe zwischen Krieg und Medien in der Kneipe vielleicht nur ungeschickter formuliert werden, aber in ihrer Obszönität, die beides beschreibt: die Theorie und die Wirklichkeit, vielleicht umso deutlicher sind.
Zurecht brummelte der Filmemacher Harun Farocki dagegen, daß der gewöhnliche Fernsehzuschauer die Bilder durchaus lesen könnte. Die Frage nach den Medien stelle sich eher klassisch: »Wir wollen Informationen und diese Information wird nicht übermittelt«. Im Moment ginge es in der Medienkritik darum, daß der Fernsehstandard nicht erfüllt ist. Die Rolle der Medien in diesem Krieg werde jedoch überschätzt; die amerikanische »Neue Weltordnung«, wirtschaftliche Faktoren und Innovationsschübe spielten eine entscheidendere Rolle.
Die Kunst- und Kulturwissenschaftlerin Sigrid Schade teilte die Kritik an den Medien nicht. Zum einen, so sagte sie, ließen sich »Schrecken und Leid« ohnehin nicht darstellen, Bilder von Toten hätten eher etwas Obszönes. Zum anderen hätte vielleicht gerade das Fehlen der Aufnahmen von Opfern gerade die Diskussion über Opfer bewirkt.
Die Diskursanalytikerin Gerburg Treusch-Dieter war die einzige auf dem Podium, der man, wenn sie auch das herrschende Betroffenheitsverbot teilte, die Verzweiflung über das Geschehen und die allgemeine intellektuelle Hilflosigkeit anmerkte. Gegen die Medientheorie, die aus eher abstrakten Höhen auf das Geschehen schaut, stellte sie das Konkrete gegenüber: das amerikanische Bombardement, in dem nicht nur zufällig der abstrakte Himmel die Erde bekriege. Dem auch von Bolz ausgeführten herrschenden Tabu der Destruktivität in unserer Gesellschaft, (daß sich z.B. in der bürgerlichen Ächtung des Kriegsspielzeugs zeigt), stellte sie die erlaubte konkrete Destruktion gegenüber. Beide wären nicht notwendig miteinander verbunden. »Sie sind es aber im Augenblick.« Dem Krieg und dem Verpulvern von Milliardenbeträgen entspreche eine ungeheure geheime Lust an der Zerstörung.
Die abstrakte Strukturgleichheit von Waffen- und Medientechnik, die evident sei, ergänzte sie mit dem Hinweis auf die konkreten Innovationsschübe, die in diesem Krieg einsetzten: die Komponente, die mit der Informationstechnologie auf's engste verbunden sei, sei die Biotechnologie. »B-Waffen, die im Augenblick als die Neutronenbombe der Armen gelten, weil die anderen Waffen teurer sind — B-Waffen zeichnen sich dadurch aus, daß sie unansehnlich sind, daß man sie nicht sieht, daß sie keinen Urheber mehr dingfest machen lassen und anonym funktionieren«. Seitdem es 1973 möglich geworden ist, die Genabschnitte zweier unterschiedlicher Mikroorganismen zu kombinieren, sei die Gen- und Biotechnologie auf's Engste verknüpft mit der Informationstechnologie, die die Kommunikationswaffen konstituiert: »Waffen, die den Charakter der Waffe abgelegt haben und als Fortsetzung der Natur erscheinen.« Durch die psychologische Kriegsführung würden wir dahin gebracht, daß wir akzeptierten, »daß jetzt endlich B-Waffen eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang fand es Treusch-Dieter bemerkenswert, daß die amerikanischen Soldaten vor ihrem Einsatz ihr Sperma abgeben. »Sie gehen zu den Samenbanken, holen sich einen runter, lassen das einfrieren und sind dann bereit, wenn es der Zufall will, auch zu krepieren. Diese Trennung von sich selbst, die Vorstellung, daß die Keimzellen überleben werden, während man sich von dem Lebensschaffenden an sich selbst getrennt hat und den Tod schon vorweggenommen hat, scheint mir ein Indiz zu sein, für die Entwicklungen, die dort beginnen.« Mit der Entwicklung der Gen- und Biotechnologien sei der Begriff des Lebens »ausgelutscht« worden. »Sobald heute im Namen des Lebens gesprochen wird, handelt es sich um eine Zerstörungsmaxime.«
Die neuen Medien, so schloß Gerburg Treusch-Dieter, sollte man vielleicht so subversiv benutzen, wie der Passagier im abstürzenden Flugzeug, der bis zum Aufklatschen noch vom Absturz berichtete. Detlef Kuhlbrodt
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