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Neue Massenentlassung im Ostteil

■ 1.900 Beschäftigte des Elektro-Apparate-Werkes in Treptow werden ihren Arbeitsplatz verlieren/ Die DGB-Beratungsstelle steht schon jetzt unter riesigem Ansturm/ DGB rät, Klage einzureichen

Treptow. Über zehn Prozent Arbeitslose meldete vor zwei Tagen das Landesarbeitsamt für den Ostteil der Stadt — und begründete diesen traurigen Rekord mit der schwachen Konjunktur und dem steinigen Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft. Bereits seit letztem Montag wissen 1.900 Beschäftigte des Elektro-Apparate-Werkes (EAW) Treptow, daß sie die Statistik für Februar weiter in die Höhe treiben werden: Ihnen wurde die Kündigung in die Hand gedrückt.

Vom »Übergang« in die Marktwirtschaft ist für die meisten der Betroffenen nicht die Rede. Sie haben zwanzig oder dreißig Jahre bei EAW gearbeitet, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehen düster aus. »Alleinstehende Frauen um die fünfzig«, sagt Gerhard Kienberg vom DGB- Büro in Köpenick, »wissen genau, was ihnen jetzt blüht.« Die Kündigung in der Hand und die morgendliche Zeitungslektüre über drastische Mieterhöhungen im Kopf, tauchen täglich an die hundert EAW-ArbeiterInnen in der DGB-Beratungsstelle und im Ostberliner Büro der IG Metall auf. »Da spielen sich schon tragische Dinge ab«, sagt Kienberg.

Daß es bei EAW, dessen Belegschaft durch Vorruhestandsregelungen von 8.000 auf 6.500 verringert worden war, zu weiteren Rationalisierungen kommen würde, wurde schon seit längerem befürchtet. Die Produktionsanlagen sind veraltet, die Auftragslage denkbar schlecht, ein potenter Käufer aus dem Westen — für viele der letzte rettende Strohhalm — nicht in Sicht. Trotzdem, so ein Gewerkschafter, seien die Kündigungen ohne Vorbereitung und für die Betroffenen daher völlig überraschend gekommen.

Große Hoffnungen kann und will Ulrich Kreit, Rechtssekretär der DGB-Beratungsstelle, den gekündigten EAW-ArbeiterInnen nicht machen. Man werde die EAW jedenfalls nicht zwingen können, die Arbeitsplätze zu erhalten. Trotzdem rät er allen Entlassenen, umgehend Klage einzureichen, denn die soziale Auswahl bei den Kündigungen sei nach dem Kündigungsschutzgesetz sehr wohl angreifbar. Demnach muß die Kündigung sozial verträglich sein. Rausgeflogen seien aber erst mal all diejenigen MitarbeiterInnen, die jetzt vor allem aufgrund ihres Alters auf dem Arbeitsmarkt die geringsten Chancen haben. Die Tendenz der Unternehmer, »sich olympiareife Belegschaften zusammenzukündigen« — so Kreit die Strategie der Geschäftsleitung. Die Gewerkschaft gewährt Rechtsschutz.

Als nächste werden sich die Richter am Arbeitsgericht in der Westberliner Lützowstraße mit der Kündigungswelle bei EAW befassen müssen — und bei anderen Ostberliner Betrieben. Gerhard Kienberg will mit Schätzungen über weitere Entlassungen zwar nur sehr vorsichtig umgehen. Fest steht jedoch, daß auch beim Berliner Vergaser-Filter- Werk mehrere hundert MitarbeiterInnen unter der Rubrik arbeitslos in die Statistik des Arbeitsamtes eingehen. anb

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