Die EG will keine Aufsplitterung des Vielvölkerstaats

■ Die Zwölf heben stets die „berechtigten Interessen der Teilstaaten“ hervor, stützen aber die Zentralregierung

Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hält die Situation im Vielvölkerstaat Jugoslawien für „bedrohlich“, sein ehemaliger Kabinettskollege Manfred Wörner für fast so gefährlich wie das Interessengemisch am Golf. Dennoch geben sich der deutsche Außenminister und der Nato- Generalsekretär zurückhaltend. „Die Nato greift nicht ein, die müssen das untereinander ausmachen“, behauptete der Generalsekretär vor zwei Wochen. Und Genscher setzt auf die in der Europäischen Gemeinschaft besonders beliebte Besuchsdiplomatie.

In den nächsten Wochen, so beschlossen die EG-Außenminister am Montag in Brüssel, soll die außenpolitische Feuerwehr der EG, die sogenannte Troika, nach Belgrad geschickt werden. Die Troika setzt sich zusammen aus dem jetzigen, dem letzten und dem nächsten EG-Ministerratspräsidenten. Die Außenminister Luxemburgs, Italiens und der Niederlande sollen der Belgrader Zentralregierung eine gemeinsame Erklärung der EG übergeben, an deren genauem Wortlaut zur Zeit noch geschliffen wird.

Wie bei solchen zwischen den Zwölf im Rahmen der Europäischen Zusammenarbeit (EPZ) mühsam abgestimmten außenpolitischen Erklärungen üblich, beschränkt sich die Botschaft jedoch auf die Unterstützung der Zentralregierung; bereits am 18. Dezember hatten die EG-Außenminister „zur Wahrung der berechtigten Interessen der Teilstaaten, aber auch zur Wahrung der territorialen Integrität“ aufgerufen. Immerhin will man die bisherige Finanzhilfe der EG an Jugoslawien bis 1995 verlängern und um rund 30 Prozent auf 1,5 Milliarden Mark erhöhen. Diese zinsvergünstigten Kredite sind zum Teil als Ausgleich für die Belastungen aus dem Transitverkehr zwischen den Kernländern der EG und ihrem Mitglied Griechenland gedacht, der über Jugoslawien läuft. Die EG beteiligt sich außerdem mit 70 Millionen Mark an einem Hilfsfonds der Weltbank und des IWF. Die Minister lehnen es jedoch weiterhin ab, Jugoslawien in den Kreis von Ländern wie Polen, CSFR und Ungarn aufzunehmen, mit denen die EG privilegierte Beziehungen unterhält. Dafür sei Jugoslawien noch nicht demokratisch genug. O-Ton Genscher: Man werde eine EG-Assoziierung Jugoslawiens befürworten, „sobald die Voraussetzungen dafür auf jugoslawischer Seite gegeben sind“.

Diese zögerliche Haltung der Bonner Regierung wird von dem italienischen Außenminister De Michelis scharf kritisiert. Schließlich steht und fällt mit dem Fortbestand des Nachbarstaats sein ehrgeiziges Projekt einer südosteuropäischen Mini-EG: Unter italienischer Führung sollen sich Österreich, Ungarn, die CSFR und demnächst vielleicht auch Polen mit Jugoslawien und Italien zusammenschließen. Vorerst ist diese „Pentagonale“ auf kulturellen Austausch ausgerichtet, soll aber zu einer wirtschaftlichen Subregion ausgebaut werden, die das Gewicht Italiens im EG-Europa erhöht. Michael Bullard