piwik no script img

Hilfe unmöglich — sowohl hier wie dort

■ Rotes Kreuz hat keine Information über Lage der Zivilbevölkerung am Golf/ Welche Vorbereitungen trifft der Senat für Berlin?/ Podiumsdiskussion über Möglichkeiten medizinischer Hilfe für Kriegsopfer

Berlin. Umfassende medizinische Hilfe ist im Krieg nicht möglich — schon gar nicht, wenn es zum Einsatz von ABC-Waffen kommt. Das war letztendlich das Fazit der Podiumsdiskussion zum Thema »Medizin und Krieg am Golf«, die am Donnerstag nachmittag im Urban-Krankenhaus stattfand. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch den Redebeitrag eines Vertreters des Deutschen Roten Kreuzes: Zwar befänden sich derzeit rund hundert Delegierte des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) in der Krisenregion — davon sieben in Bagdad —, dennoch lägen auch dem DRK keine konkreten Informationen über die Lage der Zivilbevölkerung vor. Derzeit sei Hilfe nur »im begleitenden Bereich« möglich: Das DRK bereite sich auf die Errichtung eines Flüchtlingslagers im Iran vor, gerechnet wird mit mindestens zwei Millionen Flüchtlingen. Ansonsten, so der DRK- Sprecher, könnten die DRK-HelferInnen erst dann reagieren, »wenn dieses möglich wird«. Damit spielte er darauf an, daß medizinische Versorgung der irakischen Bevölkerung in der derzeitigen Kriegssituation eben nicht möglich ist.

Michael Röhlen, Sprecher der Internationalen Vereinigung der Ärzte gegen Atomkrieg (IPPNW), verdeutlichte dies am Beispiel Berlin: Träfe eine Atombombe das Brandenburger Tor, fänden rund 600.000 Menschen in Berlin sofort den Tod, Hunderttausende würden verletzt — darunter natürlich auch Pflegekräfte und Ärzte. Schon jetzt, so Röhlen, dürfte die Anzahl der Toten und Verletzten im Irak in die Zehntausende gehen. Besonders verheerend: Das Handelsembargo habe dort schon vor Beginn des Krieges tragische Auswirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung gehabt. Eine Delegation des IPPNW, die im Dezember den Irak besuchte, mußte feststellen, daß es bereits damals weder Blutkonserven noch Medikamente gegeben habe.

Angesichts dieser Situation, so die Ansicht vieler Anwesenden, demonstriere die Bereitstellung von Betten im Verbrennungszentrum des Urban-Krankenhauses oder irgendeiner anderen Klinik der Stadt lediglich die eigene Ohnmacht statt tatsächlicher Hilfsmöglichkeiten. Unsicherheit herrschte bei vielen Beschäftigten, inwieweit der Berliner Senat Vorbereitungen für die Versorgung von Kriegsopfern treffe und somit sie selbst in die Auswirkungen des Krieges involviert würden. Zur Sprache kam in diesem Zusammenhang auch das Katastrophenschutzergänzungsgesetz, wonach die Behörden der Bundesländer im Verteidigungsfall Frauen dienstverpflichten, Kliniken mit der Erstellung von Notstandsplänen beauftragen oder sich Zugang zu den Personalakten verschaffen können. Der Senat, bemängelte Röhlen, halte sich jedoch hinsichtlich seiner Pläne und Vorbereitungen bedeckt. Das Gerücht, wonach bereits im Urban-Krankenhaus, Abteilung Wartenburgstraße, 100 Betten für die Versorgung von Kriegsverletzten bereit gehalten würden, wurde gestern jedoch von Gesundheitsstaatssekretär Detlef Orwat (CDU) entschieden dementiert. maz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen