: Mitterrands Manöver
■ Politik im kriegerischen Akt KOMMENTARE
Krieg ist die einzige Verhandlung!“, so hatte es der damalige Innenminister Francois Mitterrand während des Algerienkriegs gesagt — und gleichzeitig im Hinterzimmer seines Kabinetts für eine Reform der Kolonialpolitik plädiert. Im Golfkrieg ist es nicht anders. Während Frankreichs schnelle Eingreiftruppe seit drei Wochen pausenlos damit beschäftigt ist, französische Bomben zu bombardieren, reisen die Emissäre nach Teheran, Damaskus und in den Maghreb, um dort zu versichern, daß Frankreich andere Vorstellungen von einer neuen Ordnung am Golf habe als die USA. Mitterrand ist ein Politiker florentinischen Typs, zu sehr Machiavellist, als daß er nicht jede Gelegenheit ausnutzen würde, sich von seinen Alliierten zu distanzieren: Aufmarsch am Golf — aber nicht als Teil der internationalen Einsatztruppe; Festhalten am Ultimatum — aber fürs Protokoll noch eine Friedensinitiative, als alles längst gelaufen war; Krieg — aber vierzehn Tage lang mit einem Kriegsminister, der am liebsten aus Gewissensgründen verweigern würde. Eine Politik wie nasse Seife, die bislang vor allem den Effekt gehabt hat, daß heute im Maghreb auch die Trikolore brennt.
Nun wird ein diplomatisches Spiel zwischen den Fronten naturgemäß schwieriger, wenn die eigenen Soldaten in vorderster Front liegen — 500 Meter von der kuwaitischen Grenze entfernt und Helm an Helm mit den Marines. In seiner Fernsehansprache vom Donnerstag abend hat Mitterrand deshalb zweierlei versucht: Er hat die Nation darauf vorbereitet, daß an den „monuments aux morts“ bald neue Inschriften stehen werden. Und er hat den Rest von Clausewitzschem Handlungsspielraum benannt, den eine alliierte Offensive einem Politiker noch läßt: kein Einsatz von ABC-Waffen durch Frankreich; kein Krieg gegen das „ganze irakische Territorium“; keine Antastung bestehender Grenzen und eine Diskussion der Nachkriegsordnung unter der Ägide der UNO. Was letzteres betrifft, hat sich Mitterrand die Position von Douglas Hurd zu eigen gemacht. Er hofft auf eine Achse Paris- London, um der zu erwartenden „Pax Americana“ am Golf ein wenig gegenzusteuern, etwa bei der Palästinafrage.
Zumindest im Iran ist diese Botschaft angekommen: Präsident Rafsandschani erklärte, daß der Iran, Frankreich und die Sowjetunion „zahlreiche identische Ansichten“ teilen würden. Ob auch die französische Öffentlichkeit das feine Spiel ihres Präsidenten goutieren wird, wenn die ersten „body bags“ eintreffen, bleibt abzuwarten. Bisher sieht es ganz so aus. Es wären auch nicht die ersten Franzosen, die am Golf sterben. Schon 1985 wurden vier Soldaten in die Luft gesprengt. Sie hatten irakische Kollegen im Gebrauch einer französischen Rakete unterweisen wollen. Bisweilen gehen selbst Dinge „made in France“ auch nach hinten los. Alexander Smoltczyk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen