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Vor den Bürgerschaftswahlen: Die Rückkehr des alten Adels

■ Strukturreform soll bei den Grünen gegen Basismüdigkeit helfen

Der Landesvorstand der Bremer Grünen ist wieder komplett. Am Sonnabend wählte die Landesmitgliederversammlung MarieLuise Beck-Oberdorf und Dieter Mützelburg als LandesvorstandssprecherInnen, als BeisitzerInnen Ulla Schaarschmidt, Walter Ruffler und Uwe Helmke. Cecilie Eckler-von Gleich bleibt Landesvorstandssprecherin und Bernd Schulz Schatzmeister, so daß die Grünen erstmals seit Herbst 1989 mit einem vollzähligen, siebenköpfigen Landesvorstand in den Bürgerschaftswahlkampf gehen werden.

Für die beiden Posten der LandesvorstandssprecherIn hatten sich fünf KandidatInnen beworben, vier davon „alter grüner Adel“ (Marie-Luise Beck-Oberdorf). Als BeisitzerInnen bewarben sich sechs Mitglieder, von denen zwei Grüne Amtserfahrung besitzen. Drei der fünf neuen Vorstandsmitglieder, die die Partei in den nächsten Monaten aus der Krise führen sollen, haben solide, grüne Amtserfahrung: Marie-Luise Beck Oberdorf als Bundestagsabgeordnete 1983-85 und 1987-90, Dieter Mützelburg als Bürgerschaftsabgeordneter 1983-85 und Uwe Helmke als Bürgerschaftsabgeordneter 1985-87. Alle altgedienten BewerberInnen begründeten ihre Kandidatur mit der desolaten Lage der Partei, die gerade jetzt auf alte Erfahrung kaum verzichten könne.

Wo es bei den Grünen hapert, machte der Bericht der amtierenden Landesvorstandssprecherin Cecilie Eckler-von Gleich deutlich. Die Grünen Parteistrukturen seien für Mitglieder wie für Außenstehende völlig undurchschaubar, kosten Geld und leisten politisch wenig. Interessierte Polit-Einsteiger würden an Stadtteilgruppen verwiesen, die de facto nicht existierten, kaum ein Mitglied hätte Zugriff auf Informationen aus Fraktion und Parteizentrale. Kurz: „Wir betreiben innerhalb und außerhalb der Partei eine katastrophale Informationspolitik.“

Damit das besser wird, stellte die Grüne eine Strukturreform der Partei in Aussicht, bei der unter anderem einige Kreisverbände ersatzlos gestrichen werden sollen. Ein Grüner Informationsrundbrief soll für besseren Informationsfluß sorgen, und regelmäßige Treffen werden Kommunikationsmöglichkeiten schaffen. „Wir müssen von uns aus aktuelle Fragen thematisieren und Diskussionsbeiträge anbieten“, meinte Eckler-von Gleich und zählte auch gleich mögliche, grüne Schwerpunkte für die nächsten Monate auf: Müll in Bremen, Verkehrspolitik und Einwanderungspolitik.

Schwierigste Aufgabe des neuen Vorstandes wird der kommende Bürgerschaftswahlkampf der Grünen. „Wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen, brauchen wir einen hohen Grad an Professionalität und Experten“, schätzte Schatzmeister Schulz. Mit 180.000 bis 200.000 Mark würden die kommenden Wahlkampfkosten die Parteikasse belasten, Geld, das derzeit nicht vorhanden ist. Die Erhöhung der Mindestmitgliederbeiträge von fünf auf zehn Mark lehnte die Landesmitgliederversammlung ab, erklärte sich aber bereit, künftig statt bisher fünf jetzt 6,50 Mark pro Mitglied an die Bundespartei zu zahlen.

Abgelehnt wurde auch ein Antrag von Hucky Heck, mit einer klaren Koalitionsaussage zugunsten der SPD in den Wahlkampf zu gehen. „Ein Freibrief für die SPD“, schimpfte Horst Frehe. Bevor man sich über eine Koalition verständige, müsse man erst einmal wissen, welche politischen Inhalte es zu verhandeln gebe. Dazu kann jetzt der Landesvorstand eine Programmkommission einsetzen, die die Wahlkampfschwerpunkte festlegen soll. Markus Daschner

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