: „Deutsche, schmeißt die Orientteppiche raus!“
Deutsche stehen voll in der Allianz gegen den Irak: In Aachen wandert ein Teppich aus Bagdad in den Fundus, die Augsburger Puppenkiste setzt „Aladin und die Wunderlampe“ ab und Karl-May-Bücher sollten verboten werden! ■ Aus Aachen Bernd Müllender
Es ist an der Zeit, mit dem demütigenden Vorurteil aufzuräumen, der Deutsche zeige zu wenig Kriegsbegeisterung. Das Gegenteil ist richtig. Kompromißlos, verantwortungsbewußt und nachdrücklich tun gute deutsche BürgerInnen derzeit ihre heilige Pflicht an der Heimatfront. Beispiel Aachen: Dort hat der Oberbürgermeister höchstpersönlich, entschlossen lächelnd vor laufenden Fernsehkameras, einen seidenen Teppich von seinem Konferenztisch geräumt und in die Asservatenkammer des Rathauses geschleppt. Der Grund: Das Webstück war einst — vor über 20 Jahren — als Geschenk aus dem Irak in der Kaiserstadt eingegangen und zeigte zweifelsfrei in aufdringlich leuchtenden Farben die Landkarte eben dieses saddamischen Staates — allerdings noch ohne Kuwait. Viele Besucher, etwa türkische Jugendliche, hätten sich bei Besuchen heftig beschwert, heißt es im Rathaus, und so mußte der Teppich eben „quasi achtkantig rausfliegen“ (so die Lokalzeitung).
Beispiel München: Da wurde Carl Maria von Webers Singspiel „Abu Hassan“ jetzt aus dem Bühnenrepertoire gestrichen. Erstens spielt es in Bagdad und zweitens passen Freischütze derzeit besser in die Geschichte. Oder auch Augsburg: Dort hat die berühmte „Augsburger Puppenkiste“ dem Aladin flugs die Wunderlampe ausgeblasen. Das Stück wurde vom Spielplan abgesetzt, weil im Text vom „gütigen Herrscher von Bagdad“ die Rede war. Unzumutbar, besonders für Kinder!
Diese Bespiele, die sich durch das vorbildliche Verbot der britischen BBC, friedenshetzerisches Liedgut auszustrahlen, auch hierzulande erweitern ließe (Ihre Stunde, meine Herren Intendanten!), müssen Nachahmer finden.
Die Teppichstürmer zu Aachen seien Vorbild für alle Buchverlage. Als erste müssen Karl-May-Bücher eingestampft werden. Die blutrünstigen Abenteuer von Kara Ben Nemsi und Konsorten quer „durchs wilde Kurdistan“ müssen Bundeswehrsoldaten doch bis zur Dienstverweigerung erschrecken. Noch schlimmer der Band „Von Bagdad nach Stambul“. Wird hier nicht schon der Bündnisfall nachgerade herbeigeredet — durch Raketen, die von Bagdad nach Istambul fliegen? Zensoren aller Alliierten durchforsten auch die Museen des Landes, wo Kunst von Komparsen des Zweit- Hitlers eingeschmuggelt wurde. Den Anfang sollte gleich das Ostberliner Pergamon-Museum machen: Hier durchschreiten immer noch BesucherInnen die Prozessionsstraße, jene einst als reiches Geschenk des Irak deklarierten blau gekachelten Wände, die doch nichts anderes waren als die Vorauszahlung für die üppigen Dienstleistungen von Stasi und NVA in späteren Zeiten. Mesopotamien — die Wiege der Menschheit wird zur Bahre der Menschheit —, da muß auf vergangenheitsseligen Schnickschnack eben verzichtet werden.
Praktische Tips für Dudenredakteure und Bäcker
Bäckermeister im Ruhrgebiet! Sprecht höflich und hochdeutsch mit Euren Gesellen und hütet Euch fortan vor Anweisungen wie „Back dat!“. Golfspieler! Haltet ein mit Holz und Eisen. Die Golf Masters 91 überlassen wir den Stahlhelm-Profis vor Ort. Duden-Redaktion! Macht Euch sofort an eine Neuausgabe. Begriffe wie „1001 Nacht“ oder der „Turmbau zu Babel“ sind zu eliminieren. Auch Worte wie Euphrat und Tigris gehören verbannt. Das schafft mehr Platz für ähnelnde Begriffe wie Euphorie und Euphemismus. Solches gehört derzeit in den Sprachschatz eines guten Deutschen. Nehmt Euch ein Beispiel an den Kollegen vom Brockhaus-Lexikon! Dort steht über Bagdad allen Ernstes sehr vorausschauend: „Die orientalische Altstadt wird durch Sanierung einschneidend umgestaltet.“ Geradezu zukunftsweisend, wie mit dieser Formulierung Schwarzkopfens chirurgische Schnitte erahnt wurden!
Deutsche Geschichte neu durchforsten!
In Aachen wollen sie sich jetzt sogar von ihrem Karl dem Großen lossagen und den Dom sprengen. Hatte Karlkaiser doch enge Kontakte mit dem Ex-Kalifen von Bagdad, Harun Al Raschid, also einem direkten Vorfahren Saddam Husseins.
Deutsche! Opfert notfalls Eure Geschichte für die „neue Weltordnung“ des Präsidenten Bush. Und wenn der Iraner doch noch seine Neutralität aufgibt, werden wir alle alle unsere Perser aus den Wohnzimmern schmeißen. Bombenteppiche ja — Perserteppiche nein! Die „Augsburger Puppenkiste“ wird bis auf weiteres nur noch den „kleinen, dicken Ritter“ aufführen. Und die oberste Militär-Marionette, Oblong Fitz Oblong, der Kommandant der Blechbüchsenarmee, singt als Vorbild für unser aller Jungs und Mädels am Golf: „Zwei, drei, vier — zerreißen wir, mit schnellem Schnitt — Saddam den Schritt, im Felde dann — allemann, haun mit Lust, haun mit List — bis das Volk vernichtet ist. Ja, da gehts Schepper-Schepper-Schepper, Rolle-Roll...“ Solche Melodien müssen in Zeiten des zwangsgebremsten Jeckentrubels zum Karnevalshit werden! Alaaf und Helau, Deutschland!
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