Alles wartet auf die ersten Verletzten

Deutsche Krankenhäuser bereiten sich auf die Opfer des Golkrieges vor/ Klinikpersonal und Zivildienstleistende schwanken zwischen Fürsorgepflicht und Verweigerung/ Frankfurter Uni-Professor hofft auf Demonstrationsobjekte  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Seit Tagen sind die Tore der Hospitale der US-Army im Rhein-Main- Gebiet immer wieder von BerichterstatterInnen umlagert. Sie warten in eisiger Kälte beharrlich auf die Transporte verletzer GIs aus dem Golfkrieg. Ein Interview mit den ersten Verwundeten aus dem Landkrieg, das scheint derzeit so etwas wie das große Los zu sein. Davon weiß der Kioskbesitzer nahe dem Air-Base-Hospital in Wiesbaden ebenso ein Lied zu singen wie der jeweils Wachhabende. Löcher bekommen sie in den Bauch gefragt, ob sie nichts gesehen hätten, Transporte, Verwundete... Sie werden zur Zeit viel zitiert und haben eigentlich nichts zu sagen. Die tarnfarbenen Busse mit den weißgestrichenen, undurchsichtigen Scheiben, die ab und zu die Kasernentore passieren, lassen keine Rückschlüsse über ihren Inhalt zu. Dann geht das Gerücht um, daß ein Transport verletzter GIs in Ludwigshafen bei Mannheim eingetroffen sein soll. Die Suche ist neu eröffnet, diesmal in Richtung Süden.

Bei Rudi Friedrich, Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstverweigerer (DFG-VK) in Frankfurt, sammeln sich seit Wochen die Informationen aus deutschen Krankenhäusern, die sich, mehr oder minder unkoordiniert, auf den Krieg eingestellt haben. Das reicht von Krankenhäusern, die ihre Cafeteria „für den Ernstfall“ leer räumen wollen, über Bestandsprüfungen, Fortbildungsveranstaltungen zur Behandlung von Giftgasopfern, Urlaubssperren und Telefonlisten für das „Notfallpersonal“.

Friedrich weiß um die Ambivalenz der Situation der Zivildienstleistenden und des Klinikpersonals, das sich immer stärker gegen den Golfkrieg engagiert. Mittlerweile bitten auch Krankenschwestern, Schwesternschülerinnen, Pfleger und ehemalige Zivildienstleistende, aufgerüttelt durch die Aktivitäten ihrer Klinikleitungen, um Informationen und verweigern vorbeugend den Katastropheneinsatz. Nach dem Katastrophenschutzgesetz könnten sie schon jetzt, im „Spannungsfall“, zu einem zehntägigen Zwangseinsatz pro Vierteljahr verpflichtet werden. Sie haben keine gesetzliche Möglichkeit der Verweigerung und müßten mit Ordnungsstrafen rechnen.

Wie das Pflegepersonal sich allerdings entscheiden wird, wenn „tatsächlich ein Verletzter vor ihnen liegt“, ist ungewiß. In Gruppendiskussionen wird darüber gesprochen: „Wir wollen am liebsten verhindern, daß das überhaupt eintritt. Liegenlassen werden wir wohl keinen.“ Experten bezweifeln aber, daß die VerweigerInnen überhaupt in diesen Gewissenskonflikt kommen werden. Sie gehen davon aus, daß die US-Army „nicht einen einzigen im Golfkrieg Verletzten in ein deutsches Krankenhaus bringen wird“. Dies nämlich würde die SoldatInnen unvermeidlich eben jener Öffentlichkeit aussetzen, die die Militärzensur auf jeden Fall vermeiden will. So wird die Hoffnung eines Frankfurter Uni-Professors vorerst unerfüllt bleiben. Er hatte, berichteten Studenten, schon im Januar in einer Vorlesung angekündigt: „Vielleicht kann ich Ihnen schon nächste Woche ein Milzbrandopfer vorstellen.“