piwik no script img

Warschauer Pakt wird im April aufgelöst

■ Gorbatschow schlägt ein Treffen der Mitgliedsstaaten des östlichen Militärpaktes am 25.Februar in Budapest zur Vorbereitung der Auflösung am 1.April vor/ Polen, Ungarn und die CSFR wollen angesichts der Weltkrisen näher an die Nato rücken

Berlin (taz/ap) — Die militärische Struktur des Warschauer Paktes soll schon am 1.April aufgelöst werden. Diesen Vorschlag machte der sowjetische Präsident Gorbatschow, der gleichzeitig zu einem Treffen der Verteidigungs und Außenminister der Mitgliedsstaaten des Paktes für den 25.Februar in Budapest aufrief. Während dieses Treffens sollen die Modalitäten der Auflösung erörtert werden. Der ungarische Ministerpräsident Jozsef Antall verlas am Dienstag vor dem Parlament in Budapest Teile eines Briefes Gorbatschows, der am Vortag vom sowjetischen Botschafter überbracht worden war. In dem Schreiben heißt es: „Im Lichte der Ergebnisse des KSZE-Gipfels hat die Arbeit der Regierungskommission Schritte zur Auflösung der Militärstrukturen des Warschauer Paktes möglich gemacht, und dieser Prozeß kann bis 1.April 1991 abgeschlossen sein.“ Antall teilte dem Parlament mit, Ungarn habe Schritte eingeleitet, um das Treffen zu diesem Termin zu ermöglichen. Er sagte: „Dies wird ein historischer Moment im Leben der Nation sein.“

Das von Gorbatschow vorgetragene Treffen war bereits mehrmals von Moskau verschoben worden, zuletzt im November letzten Jahres; damals mit dem Hinweis auf die innenpolitische Situation in der Sowjetunion. In den vergangenen Wochen hatten die fünf anderen Warschauer- Pakt-Staaten jedoch Druck auf die UdSSR ausgeübt, da sie den im Juni vergangenen Jahres beschlossenen Zeitplan für die Auflösung des Paktes einhalten wollen. Der ungarische Außenstaatssekretär Ferenc Somogyi sagte in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Tageszeitung 'Nepszabadsag‘, Außenminister Geza Jeszenszky habe ein Treffen auf Ministerebene statt eines Gipfeltreffens vorgeschlagen. Dies habe Gorbatschow nun akzeptiert.

Auch Vaclav Havel hat ein ähnliches Schreiben Gorbatschows erhalten. Der Präsident der Tschechoslowakei habe den Vorschlag über die Auflösung der militärischen Stuktur des Paktes wie sein ungarischer Kollege begrüßt, hieß es aus Prag. Havel erklärte aber auch, daß die CSFR schon jetzt eine engere Zusammenarbeit in der Nato anstrebe und verließ damit offensichtlich die von ihm bisher favorisierte Position, ein kollektives Sicherheitssystem in Europa an die Stelle der beiden großen Militärbündnisse treten zu lassen. Die Nato sei die einzige Militärallianz mit demokratischen Strukturen. „Die dramatischen Entwicklungen im Baltikum, am Golf, die ganze gegenwärtige Situation verstärkt die Gründe für eine engere Zusamenarbeit mit der Nato.“ Auch die ungarische Politik drängt auf ein besseres Verhältnis zum westlichen Verteidigungsbündnis. Schon vorige Woche trat Ungarn dem parlamentarischen Rat der Nato, der „Nordatlantischen Versammlung“ als assoziiertes Mitglied bei. Und die Wünsche Polens in Richtung Westen, Patriot-Raketen zu erhalten, scheinen in eine ähnliche Richtung zu weisen.

Havel, dessen Land gegenwärtig turnusmäßig das Sekretariat des Warschauer Paktes leitet, wollte bereits am Freitag in Ungarn mit dem polnischen Präsidenten Lech Walesa und seinem ungarischen Kollegen Arpad Göncz zusammentreffen, um die Auflösung des Warschauer Paktes vorzubereiten, die ursprünglich für Ende Juni vorgesehen war. Die Auflösung der dann noch verbleibenden politischen Struktur des Bündnisses ist für 1992 geplant. Der Pakt war 1955 als Gegengewicht zum westlichen Verteidigungsbündnis Nato gebildet worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen