piwik no script img

Die Nationalhymnen werden gehupt

■ Daimler will Hauptsponsor der Olympischen Spiele im Jahr 2000 werden und läßt lautstark den Motor aufheulen/ Rot-schwarz zögert noch, weil sich ein Rüstungskonzern momentan nicht so gut macht

Berlin. Befänden wir uns nicht im Golfkrieg, gäbe es keine Diskussion über deutsche Waffenexporte, dann wäre das Sportfest unterm guten Stern längst als schwarz-rote Leitlinie verkündet worden: »Mercedes- Spiele« in Berlin im Jahre 2000, Olympia unter der Kuratel des größten deutschen (Rüstungs-)Konzerns — als Hauptsponsor, so wie Coca- Cola in Atlanta 1996.

In der Sportverwaltung wird der Daimler-Coup inzwischen deutlich bestätigt, die »Schwierzina-Aussage« bleibe gültig, heißt es dort. Ex- Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) hatte vor Monatsfrist den Begriff »Mercedes-Spiele« als erster öffentlich geprägt. Damals war er als Sportsenator im Gespräch. Die Senatskanzlei und Daimler zieren sich hingegen ganz offiziell noch mit dem Bekenntnis zu »Mercedes-Spielen«. Der Leiter des Senats-Olympia-Büros, Kießling, will angeblich »keine Führerschaft« von Daimler, sondern eine »offene, plurale Form des Sponsoring, einen Pool für alle Partner«. Er lehne »Daimler gewiß nicht ab«, wolle aber lieber »eine Allianz der wichtigsten deutschen Industrieunternehmen« formen. Er betont, daß Daimler in Sachen Waffen nicht allein sei. »Viele Unternehmen bis hin zu Banken sind weltweit an die Rüstungsindustrie angebunden.« Die bescheidenen Schwaben selbst sprechen vorerst nur »von Unterstützung der Bewerbung bis 1993« und »ideellem Engagement«. Nach der Entscheidung des IOC wolle man weitersehen.

In einem augenscheinlich von Daimler lancierten Artikel der Februar-Ausgabe des 'Industiemagazins‘ steht das Gegenteil. Unter der Überschrift »Zündeln mit Olympischen Feuer« wird berichtet, wie Daimler »die Olympischen Spiele 2000 in Berlin beherrschen will«. Konzernchef Edzard Reuter (SPD), so das Magazin, warte ungeduldig darauf, Vorsitzender des Aufsichtrates der zu gründenden Olympia- GmbH zu werden. Auch den Chef der Olympia-GmbH wolle er persönlich nominieren, Wunschkandidat sei der Ex-IBM-Manager Lutz Grüttke, der zusammen mit NOK- Chef Willi Daume die »Fair geht vor«-Kampagne ausgeheckt habe. Damit nicht genug. Auch von einem Daimler-Strategiepapier für Berlin 2000 steht da geschrieben, von 10 Millionen für den Transport von IOC-Mitgliedern und Politikern nach Berlin, von massiver Marketing-Unterstützung der Daimler- Dienstleistungstochter »debis«, die bald am Potsdamer Platz sitzen wird. Daimler-Sprecher Stürzl dementiert nahezu alles. Es gebe bislang lediglich »konzeptionelle Gedanken«. Stürzl räumt ein, daß Reuter »für ein noch zu bennendes Gremium kandidieren« wolle, das könne ein »Beirat« der GmbH sein. »debis« gebe für die Olympia-Bewerbung »fachliche Hilfe und know-how, sowie Sachleistungen«. Über den finanziellem Rahmen machte er keine Angaben.

Die Frage nach Mercedes »greift vor«, meint auch ein Senatssprecher. Über die Sponsoren werde erst entschieden, wenn die staatlich-privatwirtschaftliche Olympia-GmbH gegründet sei, und wenn dafür ein Chef gefunden sei. Vornehme Zurückhaltung, obwohl Olympia-Chefsachwalter, Metropolen-Fan und Regierender Diepgen (CDU) schon allein wegen leerer Kassen nichts gegen das größte Unternehmen haben dürfte und Walter Mompers SPD quasi familiär mit dem Reuter-Enkel Edzard verbunden ist. Man schweige noch wegen der Waffen und des Krieges, meint auch die Senatssportverwaltung: »Bei aller Wohlmeinung mit Daimler« müsse man sich fragen, »ob es zur jetzigen Zeit ins Bild paßt«, den Industrie-Riesen zum Hauptsponsor zu erklären. Schließlich falle Daimler »nicht nur durch friedensstiftende Aktivitäten auf«. Über die »Eignung« der Stuttgarter werde intensiv diskutiert, bei den Sportbeamten, im Olympia-Büro und auch im Rathaus. Man komme aber gar nicht um Daimler als Hauptsponsor herum, das hätten »die Coca- Cola-Spiele für Atlanta 1996 deutlich gezeigt«. Der Senat befinde sich nicht nur in Sachen Daimler-Rüstung im Dilemma, auch habe sich »Volkswagen« — der einzige vergleichbare Großsponsor — bisher »überhaupt nicht gerührt«. Und ein Hauptsponsor aus dem Ausland dürfe es nun wirklich nicht sein. kotte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen