: Alles begann im Alten Testament
■ Peter Scholl-Latours Buch über das Schwert des Islam oder die Revolution im Namen Allahs
Die halbe Miete für einen Publizisten ist seine gute Nase. Die zumindestens kann man Peter Scholl-Latour nicht absprechen. Kurz vor Fertigstellung seines Bilderbuches über die Welt des Islam und seines expansionistischen Drangs aus der Tiefe des arabischen Raums schlug Saddam Hussein aus Takriti in Kuwait tatsächlich zu, und aus einem potentiellen Ladenhüter wurde ein Bestseller. Dabei handelt es sich bei dem Werk, in dem sich Bild und Text quantitativ die Waage halten, eigentlich um nicht mehr als einen Potpourri-Reprint vorangegangener Meisterwerke über die betroffene Region, ergänzt um einen Abstecher in die islamischen Sowjetrepubliken.
Als es dann bei Saddam Hussein soweit war, mußte natürlich noch eine neue Einleitung geschrieben und eine Betrachtung über die Logik des Krieges angehängt werden, und fertig war auch gleich die Fernsehserie zum Buch. Doch ist der Zeitpunkt zwar wichtig, aber nicht alles auf dem Weg zum Erfolg. Scholl-Latour schreibt auch bestsellerverdächtig:
„Im Sommer 1990 ist die Weltpolitik von Grund auf verändert worden.“ Wem es vergönnt ist, ein Buch so zu beginnen und sich selbst damit zum Interpreten dieser Veränderung zu machen, muß schon eine Menge zu sagen haben. Dabei drohte ihm schon das Schicksal eines „berufsmäßigen Schwarzmalers“, nachdem im Überschwang der Ost-West-Aussöhnung „die islamische Revolution in den Augen der Ahnungslosen“ zu einem Phantasieprodukt einiger Scholl-Latours zu werden schien. Das hat sich nun, Saddam sei Dank, erledigt, und gespannt lauschen wir Peter Scholl-Latour erneut, wem die Stunde schlägt.
Kategorische Absage an eine Versöhnung
Für Leute, die sich mit Beginn des Golfkrieges zum ersten Mal über eine Landkarte des Nahen Osten gebeugt haben, ist das Buch zweifellos eine interessante Lektüre. Scholl- Latour weiß eine Menge über die Region und die Religion, schließlich hat er lange genug dort gelebt, ist der Libanon, speziell der maronitische, seine eigentliche Wahlheimat. Als Journalist hat er erfolgreich gelernt, daß sich auch ein Sachbuch von einer Seminararbeit unterscheiden muß, deshalb vermeidet er gekonnt alle Langeweile. Doch Scholl-Latour will nicht nur informieren — er will warnen, aufrütteln, letztlich den Westen vor dem Untergang bewahren.
Dabei vermeidet er zunächst einmal allzu platte propagandistische Unterstützung der amerikanischen Kriegsführung. Es gehe, so Scholl- Latour, schließlich um mehr, als dieses Fleckchen genannt Kuwait, auch um mehr als eine Neuordnung des Nahen Ostens, es geht um den Ausbruch des Nord-Süd-Konfliktes, das apokalyptische Ringen der milliarden Habenichtse gegen den industrialisierten reichen Norden.
Nun mag diese Diagnose ja durchaus zutreffen — Scholl-Latour wäre nicht der einzige, der diese Entwicklung befürchtet. Was das Buch, wie auch vorherige desselben Autors zum Thema Islam, so schwer erträglich macht, ist die unterschwellige Paranoia vor der anderen Kultur, die kategorische Absage an eine Versöhnung oder auch nur ein Diskurs über die Möglichkeit der Verständigung.
Für Scholl-Latour gerät die „Mutter aller Schlachten“ zu einem biblischen Fanal, wird in der saudi-arabischen Wüste ausgefochten, was im Alten Testament begann und sich „in grauer Vorzeit“ verliert. Nicht um eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums der Welt geht es, sondern immer noch und immer wieder kreuzen hier die Söhne Abrahams, Ibrahim gegen Isaak, die Klingen, brennt ein semitischer Bruderkrieg, in dem das Christentum als Subsystem mitspielt.
Der ehemalige Fremdenlegionär Scholl-Latour sieht den Islam und die moslemischen Staaten immer wieder unausgesprochen durch die maronitische Brille, der Sichtweise einer christlichen Minderheit, die Jahrhunderte als Diaspora in einer tendentiell feindlichen moslemischen Umwelt gelebt hat. Doch der reiche Norden ist alles andere als eine bedrohte Insel im islamischen Meer, und Konflikte könnten heute anders gelöste werden als zu Abrahams Zeiten.
Doch Scholl-Latour setzt auf Abgrenzung, ruft dazu auf, die Reihen fest zu schließen. Begeistert zitiert er Charles de Gaulle, der schon in den sechziger Jahren gesagt haben soll: „Eines Tages werden sogar die Russen begreifen, daß sie Weiße sind.“ Der Tag scheint gekommen, die weißen Großmächte schließen sich zusammen, die Entscheidungsschlacht kann beginnen. Jürgen Gottschlich
Peter Scholl-Latour, Das Schwert des Islam, Revolution im Namen Allahs, Wilhelm Heyne Verlag, München 1990, 180 Seiten.
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