piwik no script img

Bagdad ehrt Opfer

Nach dem Angriff auf den Amiriya-Bunker warten Tausende von Familienangehörigen auf die Leichen  ■ Khalil Abied aus Bagdad

Tausende von Irakern sind am Donnerstag auf der Straße, um die Opfer des Amiriya-Bunker-Massakers zu beerdigen. Dabei schießen Hunderte von bewaffneten Milizionären der Volksarmee mit ihren Kalaschnikows unaufhörlich in die Luft — Ehrerbietung vor den Opfern. Die Stimmung ist explosiv. Aus der Menschenmenge ertönen antiamerikanische und antiwestliche Parolen. Ein Iraker, dessen Familie bei dem Bunkerangriff starb, versucht einen Journalisten zu schlagen. Andere schimpfen auf eine irakische Fahrerin, die ganz offensichtlich für die westlichen Medien arbeitet: Auf ihrem Auto kleben Sticker von CNN und BBC. Aufgebrachte Demonstranten zwingen sie, die Sticker abzureißen.

Vor den Überresten des Bunkers selbst stehen zur Mittagszeit immer noch fast 3.000 Menschen — die Verwandten der Opfer. Sie weinen und rufen laut „Allah u Akbar“, Gott ist groß. Eine Frau schreit den Journalisten entgegen: „Warum ist das arabische Blut so billig für euch? Nur wenn Amerikaner oder Juden verletzt werden, dann ist das eine Katastrophe.“

Etliche Angehörige der zivilen Verteidigung arbeiten seit gestern unaufhörlich. „Wir haben die ganze Nacht nicht geschlafen. Bis 11 Uhr heute morgen konnten wir 400 Leichen herausholen“, sagt mir einer von ihnen, Rafsan-Az- Aldinn. Die Männer der Zivilverteidigung sehen erschöpft aus. Fast alle fünf Minuten tragen sie eine Leiche aus den Trümmern. Alle sind verbrannt.

Uns Journalisten wird gestattet, in den Bunker zu gehen. Der Anblick ist furchtbar. Überall Rauch und der Geruch von Tod. Der Bunker ist zweistöckig. Das untere Stockwerk, das wir gestern gesehen haben, ist heute voll mit Wasser. Im oberen gibt es eine Klinik, Toiletten, Stromgeneratoren und ein Nahrungsmittellager. In das zweite Stockwerk konnten wir erst heute hinein. Hier übernachteten die Leute. Die Bombe schlug ein Loch in das Dach und explodierte in der Mitte. Mehrere große Säle sind vorhanden. Sogar die Leichen, die in den anderen Räumen gefunden wurden, sind schwer verbrannt. Die Explosion hat die Wände zerstört. Ein Angehöriger der Zivilverteidigung sagt mir, daß es noch Hunderte von Leichen in anderen zerstörten Sälen gäbe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen