: Das Lernziel: Heilende Hände
■ Lehrinstitut in der Bremer Neustadt bildet „Physikalische Therapeuten“ aus
Wenn einer eine Schule aufmachen will, dann muß er was erledigen. Davon kann Addy Balzer- Rahmann ein Lied singen, der seit dem letzten Herbst in der Bremer Neustadt das Bremer Lehrinstitut für Physikalische Therapie betreibt. Da müssen Räume angemietet und ausgestattet werden. Dazu braucht es Geld von der Bank. Die möchte aber sicher gehen, daß die Schule auch tatsächlich die staatliche Anerkennung erhält. Um die zu bekommen, müssen allerdings neben den vorgegebenen Rahmenlehrplänen auch die räumlichen Voraussetzungen vorhanden sein. Dafür wiederum braucht man zunächst den Bankkredit, die wiederum...
Also legte Addy Balzer-Rahmann einfach los, machte aus einer Arztpraxis mit zahlreichen Zwischenwänden einen Klassenraum, überzeugte so die Bank von seinen Absichten und bekam auch von der Gesundheitsbehörde ein vorläufiges OK, mit dem er sich auf die Suche nach SchülerInnen machte. Und die Nachfrage war groß: Binnen kurzer Zeit hatten sich 26 InteressentInnen gemeldet, die Physikalische Therapeuten werden wollen.
Doch der Name täuscht ein wenig. Denn das Berufsbild des Physikalischen Therapeuten ist auch nach langen Jahren der Fachdiskussion immer noch nicht einheitlich geregelt. Als einziges europäisches Land wird in der Bundesrepublik noch getrennt für KrankengymnastInnen und MasseurInnen ausgebildet, obwohl die Arbeitsbereiche in der Therapie sich durchaus ähneln.
Weil sich wahrscheinlich spätestens 1995 mit der Harmonisierung des EG-Binnenmarktes ein gemeinsames Berufsbild ergeben wird, versucht Balzer-Rahmann in die Ausbildung der MasseurInnen möglichst viele Elemente von Bewegungstherapie aufzunehmen.
Doch die wesentliche Grundlage für beides ist eine solide medizinische Grundlage. Und so müssen die SchülerInnen intensiv lateinische Ausdrücke für alle relevanten Knochen und Muskeln pauken. Balzer-Rahmann: „Eine Massage kann ich in 1.000 Workshops lernen. Bei mir kommt die Schulmedizin dazu. Wenn ein Patient mit einer Knieprotese kommt, dann muß der Masseur wissen, was er darf und nicht.“ Außerdem werde der Masseur sonst von den Ärzten nicht als kompetenter Partner anerkannt.
Für viele der SchülerInnen, die zwischen 18 und 40 Jahre alt sind, ist es eine Zweitausbildung. Nach Abschluß der einjährigen Ausbildung, die vom Arbeitsamt im Rahmen von Umschulungsmaßnahmen finanziert wird und für die es auch Bafög gibt, muß noch ein einjähriges Anerkennungs-Praktikum in Kliniken, Massagepraxen oder Altenheimen absolviert werden. Im Moment gehen gerade die ersten SchülerInnen in ein sechswöchiges Praktikum. Hierfür Plätze zu bekommen, war ein reiner Kraftakt. Denn die städtischen Krankenanstalten zeigen sich wenig kooperativ und lehnen PraktikantInnen aus der Schule generell ab.
Letzte Korrekturen muß Balzer-Rahmann auch noch in seiner Bäderabteilung vornehmen. Die Gesundheitsbehörde verlangt zwei Duschen, eine für Männlein und eine für Weiblein. Für eine Abtrennung in der Mitte bleibt in der Enge kein Platz. Aber die ist auch nicht vorgeschrieben. hbk
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