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DAS „GRÜNE LICHT“ FÜR DIE PATRIOT-LIEFERUNGEN: EIN GETRÜBTES GRÜN

■ (Oder: Warum ein Kurzschluß der Bremer Grünen der Revision bedarf.)

Vor einer Woche verabschiedete die Landesversammlung der Grünen in Bremen eine Resolution zum Krieg am Golf.

Seine Verfasser wußten, daß von seinen 9 Punkten, 8 Punkte allgemeine (vielleicht auch zu allgemeine und zu wenig kritische) grüne Konsense abdeckten. Und sie wußten auch, daß der neunte Punkt des Resolutionsentwurfes (der als Tischvorlage vor die Landesversammlung kam, und kaum von jemandem genau durchgelesen, geschweige denn durchdacht werden konnte) ein ganz andersartiger Punkt war. Nämlich einer, dessen Verabschiedung einen radikalen Einschnitt in der Geschichte dieser Partei bedeutete.

In der Geschichte jener Grünen, die ihre historische Bedeutsamkeit auch der Friedensbewegung der frühen 80er Jahre verdanken und die es, trotz Resten ideologischen Lagerdenkens, eine deutlich niedrigere Selektivität in der Anwendung „universeller Humanitätsprinzipien“ erreicht haben, als es im „Westen“ in der Regel der Fall war.

Trotzdem wurde dieser Einschnitt mit 2 (zwei) Sätzen abgefertigt.

Es war dies natürlich der Punkt in dem eine grüne Zustimmung zu den von der israelischen Regierung angeforderten und von der Bundesregierung akzeptierten Lieferung von „Defensivwaffen“ aus Bundeswehrbeständen signalisiert wurde. Dieser Punkt ist nicht nur bei den Grünen hochkontrovers und mit berechtigten Emotionalisierungen verknüpft. Es ist auch der Punkt, der sich heute, für große Teile gerade des geschichtssensiblen Anti-Kriegs-Spektrums, in eine klassisch-abstrakte Vorführungs - und Fangfrage entwickelt hat.

Wird sie (nämlich: „Wie hälst Du's mit der Patriot-Lieferung?“) nicht eindeutig und „richtig“ beantwortet, so ist das der klare Beweis dafür, daß die „gesinnungspazifistische Friedensbewegung“ „entweder böswillig oder irrsinnig“ ist. (So einer der führenden intellektuellen Begründer der jetzigen „Kriegsnotwendigkeit“ zu der katholischen Friedensgruppe „Pax Christi“ in Frankfurt letzte Woche.)

2. Wie es zu erwarten war, ist auch der zentrale Konflikt dieser Landesversammlung an diesem Punkt aufgebrochen. Nach einer relativ kurzen Diskussion (in der die weitreichenden — allgemeinen und „innergrünen“ — Implikationen des fraglichen Wendepunktes kaum in Ansätzen sichtbar gemacht werden konnten) hat die Versammlung — mit 30 gegen 20 Stimmen - gegen eine „Öffnung“ dieses Punktes gestimmt.

3. Mehreres hat dazu beigetragen, daß diese Mehrheit sich dafür entschied, die Spannung und das Unbehagen, die bei diesem doppelten Wendepunkt (puncto Friedenspolitik und puncto nicht-selektive Anwendung von humanitären „Schutzprinzipien“) entstanden ist, auf einer politisch entlastenden und moralisch beruhigenden Weise aufzulösen.

Das heißt:

auf der — relativ leichten — Weise aufzulösen, die der Antragstext ihnen angeboten hat.

Da hieß es nämlich:

“Die akute Gefährdung Israels stürzt uns in einen Konflikt mit unseren eigenen Prinzipien. Wir können nicht guten Gewissens (sic) gegen Raketenabwehrwaffen für Israel eintreten, nachdem wir (sic) die Belieferung des Iraks mit Angriffstechnologie nicht verhindern konnten.“

(Die fatale politische Wirkung solcher schuldzentrierten, geschlossenen „deutsch- grünen“ Wir-Identitäten war schon im „historischen“ Jahr 1990 mehr als deutlich geworden. Sie stehen aber unter Wiederholungszwang.)

Beigetragen dazu hat das politische Vertrauen, das die Antragsteller — die seit langen Jahren meine engsten politischen Freunde sind — bei den Bremer Grünen mit Recht genießen. Beigetragen dazu hat die tiefgehende Verunsicherung, die das Eindringen des kriegsführenden und krieglegitimierenden Diskurses in die grünnahen Zusammenhängen (taz-inklusive) ausgelöst hat.

Ein ungeheurer Druck lastet — nicht nur in diesem Land — auf allen Menschen und politischen Kräften, die weder das menschenfeindliche Potential der irakischen Diktatur ideologisch-antiimperialistisch neutralisieren, noch sich in die — auch politisch destruktiven — Kriegsführungslogik einzwängen lassen wollen.

Dieser Druck verführt leicht dazu, sich von ihm wenigstens dort zu entlasten, wo dafür ein gewissenberuhigender Weg geebnet wird.

Beigetragen dazu hat aber auch das Fehlen eines ernsthaften Versuchs, diesen kritischen Punkt in einer wirklich differenzierten und souveränen Weise anzugehen, in einer Weise, die auf die Möglichkeit dringt, gegenüber den verschiedenen bundesdeutschen Eingebundenheiten in diese Kriegsführung eine nicht-gespaltene Antwort zu geben. Dieser Versuch muß auch in Bremen nachgeholt werden

Zu ihm gehören:

Das Auseinanderhalten der fiktiv-symbolischen und der realen Dimensionen der ganzen Frage.

Wir alle wissen, daß es dabei gar nicht um die „realen Patriots“ geht. Wird hier nicht unterschieden, verfällt man offensichtlich einer einbindenden Manipulation.

Die ernsthafte Berücksichtigung jener „grünen“ Friedensbewegten und israelischen Positionen, die sich — jenseits eines jeden „naiven Friedensfundamentalismus“ — gegen „Zustimmungen“ wehren, die realiter auf eine Bestärkung der Kriegslogik und auf eine stärkere deutsche Einbindung in ein „Kriegsführungslager“ hinauslaufen.

(Z.B.: die von Jürgen Trittin bei den Grünen, niedersächsischer Staatsminister, die Berliner Philosophenprofessors Ernst Tugendhat von der Gesellschaft für bedrohte Völker, selber deutsch-jüdischer Abstammung, die von Felicitas Langer, von der sich unter dem Kriegsdruck weiter aufspaltenden israelischen Friedensbewegung.)

Dazu gehört allerdings auch die nüchterne Erkenntniss, daß es nicht darum geht, die Bundesregierung für ihre Entscheidung in diser Angelegenheit anzugreifen. Keiner heute denkbaren Bundesregierung wäre ein anderer Weg offen gewesen.

Es geht um was ganz anderes:

Um die politisch standhafte Glaubhaftmachung, daß es auch außerhalb der hegemonischen Sicherheitslogik noch andere gibt, und daß wir darauf auch verantwortungsethisch offensiv überzeugend setzen wollen.

Ich hoffe darauf daß wir mit meinen Freunden zusammen diesen grünen Versuch nachholen werden.

Zultan Szankay

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