Minister Krause drückt auf die Tube

Berlin (taz) — Mit einem beschleunigten Ausbau der Ost-West-Verbindungen für Bahn und Auto will Verkehrsminister Günther Krause (CDU) dem drohenden Verkehrskollaps in Deutschland begegnen. Für sein „Konzept Deutsche Einheit“ verlangt der Jungminister insgesamt 54 Milliarden Mark und ein juristisches Instrumentarium, das spürbare Entlastungen des stockenden Ost-West-Transits innerhalb von nur zwei bis fünf Jahren sicherstellen soll. Konkret kann dies nur eine Einschränkung der Mitspracherechte der betroffenen Anwohner von Straßen- und Schienenprojekten bedeuten.

Die Kosten für die Straßenprojekte bezifferte Krause vor der Presse auf etwa 20 Milliarden, die für den Schienenverkehr auf 30 Milliarden und für die Binnenschiffahrt auf drei bis vier Milliarden Mark. 1.500 Kilometer Schienen sollen neu oder ausgebaut werden, 1.200 Kilometer Fernstraßen und 240 Kilometer Schiffahrtswege. Beim Schnellstraßenbau hat sich der Zimmermann-Nachfolger weitgehend auf private Finanzierungsmodelle festgelegt. Noch in diesem Jahr soll über ein „vernünftiges Finanzierungsmodell“ entschieden werden. Neben Leasingmodellen halte er auch Benutzungsgebühren für denkbar. Keinesfalls dürfe dadurch Autofahren in Ostdeutschland teurer werden als im Westen.

Bei der Bahn sollen fünf Korridore (Berlin-Hannover, Berlin- Deutsche Nordseehäfen, Berlin- Stuttgart/München, Sachsen/Thüringen-Rhein/Ruhr und Sachsen/ Thüringen-Rhein/Main) ausgebaut werden. Beim Autobahnnetz will Krause „vorrangig“ die wichtigsten Ost-West-Verbindungen ausbauen. Dazu gehören die A 2 Hannover- Berlin, die A 4 Bad Hersfeld-Erfurt- Dresden-Bautzen mit Verlängerung nach Görlitz sowie die A 9 Nürnberg- Leipzig-Berlin. Komplettiert wird das von einer Ost-West-Schneise durch Mecklenburg-Vorpommern und einer weiteren aus dem sächsisch-thüringischen Raum über Hessen nach Nordrhein-Westfalen. Die im Westen üblichen Planungszeiten für Verkehrsgroßprojekte müßten für seine Pläne drastisch gestrafft werden, sagte Krause und brachte erneut das auch von Bundesumweltminister Töpfer befürwortete Maßnahmegesetz ins Spiel. Damit würden die Einspruchsmöglichkeiten für Umweltschützer und Anwohner weiter eingeschränkt. Verkehrsinitiativen hatten diese Überlegungen um die Jahreswende heftig kritisiert und als „Affront“ gegen die ökologisch orientierte Bürgerrechtsbewegung in der ehemaligen DDR gewertet.

Der „Arbeitskreis Verkehr und Umwelt“ wies kürzlich darauf hin, daß der Abbau von Bürger- und Naturschutzrechten im Verkehrsbereich bereits im vergangenen Sommer von Krauses Vorgänger Zimmermann (CSU) eingeleitet wurde. Damals hatte der Bundestag im Rahmen des sogenannten „3. Rechtsbereinigungsgesetzes“ (!) praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit eine entscheidende Regelung im Fernstraßenausbaugesetz geändert. Nach der neuen Bestimmung ist es nun für Anti-Straßenbau-Initiativen nicht mehr möglich, vor Gericht den Bedarf für den Aus- oder Neubau einer Autobahn in Zweifel zu ziehen. Dies war jedoch in der Vergangenheit ein entscheidender Hebel gegen ökologisch unsinnige Verkehrsprojekte gewesen. Gerd Rosenkranz