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Magere Entschädigung für Kassierte

■ Opfer des SED-Regimes wollen ihre Rehabilitierung/ Justizsenatorin Limbach erwartet eine Antragsflut/ Kassation kann jeder Verurteilte verlangen/ Die Regelungen im Einigungsvertrag zugunsten der Opfer „nicht der Weisheit letzter Schluß“

Von Ulrich Scharlack

Berlin. Die Opfer des SED-Regimes verlangen ihr Recht. Überall in den neuen Bundesländern wollen Tausende Rehabilitierung oder Aufhebung alter Verurteilungen. In Berlin, wo die DDR-Schaltzentralen saßen, rechnet Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) allein für die nächsten Jahren „mit 40.000 Anträgen“.

„Nicht nur politische Häftlinge, auch die ganz normalen Kriminellen möchten ihre Urteile überprüfen lassen“, beobachtet eine Berliner Strafverteidigerin. Auf hohe Entschädigungsleistungen können die Betroffenen aber nicht hoffen: „Bei bis zu zwei Jahren DDR-Haft gibt es bis jetzt nur 80 Mark pro Monat“, sagt ein Berliner Oberstaatsanwalt. Die Regelungen im deutsch-deutschen Einigungsvertrag zugunsten der Opfer sind zudem „nicht der Weisheit letzter Schluß“, meint der Berliner Rechtsanwalt Ansgar Sander. Danach können die Antragsteller zwischen der Aufhebung einer Verurteilung (der Kassation), der Rehabilitierung und der sogenannten Überprüfung der Vollstreckbarkeit von Urteilen zwischen drei Überprüfungsmöglichkeiten wählen, über die auch noch jeweils ein Richter zu entscheiden hat. Rehabilitiert werden können dabei nur die, die laut Gesetz „wegen einer Handlung strafrechtlich verurteilt wurden, mit der sie verfassungsmäßige politische Grundrechte wahrgenommen haben“. Dies wirft oft komplizierte Fragen auf.

So ist es nicht einfach zu beantworten, meint der Berliner Oberstaatsanwalt Norbert Janiszewski, ob ein wegen Republikflucht Verurteilter auch dann voll rehabilitiert werden kann, wenn er etwa einen Grenzsoldaten bedroht hat. Trotz der geringen Entschädigung hat aber die Rehabilitierung für die Betroffenen erhebliche Vorteile. Neben der Aufhebung des Urteils und der Tilgung sämtlicher Eintragungen im Strafregister können sie auch „die Rückerstattung von entzogenen Vermögenswerten“ verlangen. Dies ist für viele sehr bedeutsam, weil etwa Republikflüchtigen Grundstücke und andere Wertgegenstände entzogen wurden.

Kassation kann dagegen jeder in der DDR Verurteilte verlangen. In den entsprechenden Verhandlungen kommt es aber zu der merkwürdigen Situation, daß die Richter die Entscheidungen danach überprüfen müssen, ob das DDR-Recht richtig angewandt wurde. Ein Berliner Richter versicherte deshalb bei seiner ersten Kassationsverhandlung im Sitzungssaal, daß er sich „gründlich eingearbeitet“ habe.

Trotz dieser Regelungen bleibt für das Bonner Justizministerium noch eine Menge zu tun. Nicht nur Strafverurteilte wollen Ausgleich für ihre Leiden, sondern etwa auch aus politischen Gründen Entlassene und andere von der SED Schikanierte. „Da eine Lösung zu finden, ist schwierig“, meint der Sprecher des Ministeriums. „Im Grunde war doch jeder, der in der DDR gelebt hat, irgendwie in seinem Fortkommen eingeschränkt.“

Das Rehabilitierungsgesetz soll zwar erweitert werden — „nicht alles Unrecht läßt sich aber in Geld ausgleichen“, meint der Sprecher. Diese Ansicht teilt auch die Berliner Justizsenatorin, „die Bundesrepublik kann einfach nicht alle Lasten übernehmen, die die DDR hinterlassen hat“, meint Frau Limbach. dpa

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